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Kirchenburg Tartlau - UNESCO-Welterbestätte seit 1999

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Geschichte der Marktgemeinde Tartlau

Tartlau (rumänisch Prejmer, ungarisch Prazsmar) ist die östlichste deutsche Siedlung in Siebenbürgen, liegt an der Strecke Kronstadt (rumänisch Braşov, ungarisch Brassó) - Întorsura Buzăului, 18 km nordöstlich von Kronstadt entfernt.

Ortsnamen

Der Ortsname hat im Laufe der Zeit verschiedene Ausprägungen erfahren - und das gleich in mehrfacher Ausfertigung. Durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Völker und Sprachen in diesem Raum, wurden für Orte Namen in eben diesen Sprachen verwendet.

Folgende Ortsnamen für Tartlau sind im Laufe der Geschichte urkundlich festzustellen: Tortillou, Tertillou (1211), Tartelow (1222), Tartilleri (1240), Prasmar (1360), Tortalen (1377), Tartla (1385), Tarthlew (1387), Tartlau (1415), Tortelaw (1420), Tarteln (1510), Tortyl (1532), Presmer (1854), Prazsmar, Tartlau, Prejmer (1854).

Gründung

Ortskern Tartlau mit Kirchenburg. Quelle: Archiv Orendi.

Der ungarische König Andreas II verlieh 1211 das Burzenland dem Deutschen Ritterorden, da die Reichsgrenzen nach Osten verlegt worden waren und somit das Burzenland für die Besiedlung frei geworden war. Auf der Suche nach tatkräftigen Leuten für die Besiedlung und Urbarmachung fiel die Wahl auf den Orden, der nach dem 3. Kreuzzug von 1190 unter seinem Hochmeister Hermann von Salza neue Betätigungsfelder suchte. Dabei wird zum ersten Mal der Fluß Tortillou erwähnt. Es wird angenommen, dass um diese Zeit (1212/1213) der Ort Tartlau gegründet worden ist (u.a. auch die erste Marienburg als Hauptsitz des Ritterordens), da der Ritterorden deutsche Bauern und Handwerker ansiedelte und überhaupt mit großer Energie ans Werk ging - dabei aber offensichtlich über das Ziel hinausschoss.

Er versuchte nämlich einen Gottesstaat zu errichten und sich dem Einfluss des ungarischen Königs zu entziehen, was diesen bewog, den Ritterorden nach nur 14 Jahren (1225) wieder des Landes zu verweisen. Nach der Vertreibung wird dem Zisterzienser Mönchsorden das Patronat verschiedener Kirchen im Burzenland verliehen. Durch das Wirken des Ordens erfährt Tartlau weitere Entwicklung. Der von dem Ritterorden begonnene Bau der Kirche wird durch den Mönchsorden fertiggestellt.

Zentrum für Handel und Gewerbe

Tartlau wird am 21. März 1240 erstmals als Marktort erwähnt. In dieser Urkunde wird der Zisterzienser Mönchsorden mit Tartlau und drei weiteren Gemeinden des Burzenlandes durch den ungarischen König Bela IV. belehnt. Es bleibt bis in jüngste Zeit ein regionales Zentrum für Handel und Gewerbe. In der kurzen Zeit war es dem Deutschen Ritterorden gelungen, mit der Schaffung eines kompletten Verteidigungssystems, der Gründung von 6 Burgen, den Grundstein für eine Jahrhunderte dauernde Entwicklung des Burzenlandes zu legen.

Der ewige Überlebenskampf

Waren es zu Zeiten des Ritterordens die Kumanen, gegen die es sich zu verteidigen galt, markiert das Jahr 1278 den traurigen Anfang einer nicht abreißen wollenden, über Jahrhunderte andauernde Serie von Angriffen, Plünderungen und Zerstörungen des Ortes. Dies ist das Jahr des ersten Tatareneinfalls, der natürlich das Burzenland als Eingangstor zum ungarischen Königreich nutzt. In der Folge kommen rumänische Moldauer, Kosaken und seit 1420 immer wieder die Türken. Zwischendurch glauben auch Kuruzzen, ungarische Widerstandskämpfer, Haiducken, Freischärler in dem Landstrich noch etwas holen zu können.

Insgesamt wird die Gemeinde über 50 mal in ihrer Geschichte zerstört und doch immer wieder aufgebaut. Nur hinter den mächtigen Mauern der Burg überleben die Einwohner Tartlaus.

Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass gerade in Tartlau die mächtigste Wehranlage in Siebenbürgen entstanden ist, liegt die Gemeinde doch vor dem traditionellen Einfallstor (Bodzaer Pass) für Reitvölker aus dem Osten und den Tartlauern somit immer wieder die Rolle der "ersten Verteidungslinie" zufällt, den ersten, kräftigsten Stoß der Angreifer aushalten zu müssen.

Grenzstreitigkeiten

Darüber hinaus ist die Geschichte der Gemeinde auch durch anhaltende Streitigkeiten mit den ungarischen (Adel und Großgrundbesitzer) und szeklerischen Nachbarn über das Eigentum bzw. Nutzungsrechte von Ackerland, Wiesen und Wäldern der Umgebung gekennzeichnet. Dieser Streit gifpelt in einem Ereignis von 1508, als dem ungarischen Adligen Petrus Beldi anlässlich eines Besuchs in Tartlau, von einem Tartlauer Wagenmeister, bei dem Versuch den Tartlauern die Grenze seines Gebiets aufzuzeigen, der Kopf abgeschlagen wird - just in dem Augenblick als der Adlige den Kopf aus seiner Kutsche steckt (Hochdramatisches Geschehen in Tartlau). Die Streitigkeiten mit dem Geschlecht der Beldis werden erst 1861 durch einen Vergleich beendet.

Weitere Heimsuchungen

Nicht genug damit wird Tartlau - wie auch ganz Siebenbürgen - mehrmals von der Pest heimgesucht (zum ersten Mal 1718-1719). Die Chronik weist aus, dass danach nicht mehr als 24 Ehepaare und Hauswirte überlebt haben. 1781 Tote werden beklagt und 181 Höfe stehen leer. Danach kostete ein Gehöft nur "2 Maß Branntwein". Von allen Burzenländer Gemeinden war die Heimsuchung durch die Pest in Tartlau am heftigsten. 1776 wütet die Pest ein weiteres Mal und in den darauffolgenden Jahrzehnten auch noch einige Male.

Dazu kamen dann noch zahlreiche Vernichtungen der Gemeinde durch Großbrände. Dem Brand von 1652 beispielsweise fiel auch die Kirchenburg zum Opfer und musste wieder hergestellt werden.

Die Zeit des Zweiten Weltkriegs

Die Zeit um den Zweiten Weltkrieg wiederum änderte das Leben der Tartlauer (wie auch der ganzen Welt) nachhaltig. Zum einen führte die Entwicklung im Dritten Reich zu einer Spaltung der Gemeinde in Gegner und Befürworter des Nationalsozialismus, die sich zwischenzeitlich heftig gegenüberstanden und zum anderen, nach dem Ende des Krieges, zu schwierigen Anpassungsprozessen an die neuen, kommunistischen Verhältnisse.

Nicht zu vergessen ist dabei die Deportation eines Großteils der Tartlauer Sachsen (das Schicksalsdatum ist der 12. Januar 1945) in die Kohlebecken Russlands und nach Sibirien, um Wiederaufbauhilfe als Entschädigung für die von Deutschen verursachten Schäden zu leisten. Es sollten für die meisten 5 lange Jahre unter schwersten Bedingungen werden, die viele nicht überlebten.

Den Daheimgebliebenen ging es nicht viel besser, sie wurden enteignet und mussten fortan ihren Lebensunterhalt in den staatlichen Institutionen bestreiten.

Auswanderung

Es waren diese und noch zahlreiche andere Faktoren, die - wie in allen anderen deutschen Gemeinden Siebenbürgens auch - die Menschen Richtung Ur-Heimat und Mutterland Deutschland trieb. Ein kurz nach dem Krieg entstandenes Rinnsal der Auswanderung, entwickelte sich über die Zeit zu einem kleinen Bächlein, um dann 1990, nach der Beseitigung der kommunistischen Verhältnisse, als gewaltiger Strom alle Dämme brechen zu lassen. Innerhalb kürzester Zeit verließ der Großteil der Siebenbürger Sachsen Tartlau.

Feier zu 750 Jahren Tartlau (Juni 1990). Quelle: Archiv Orendi.

Als Ironie der Geschichte wurde im Juni 1990, also bereits in Zeiten des Exodus, noch "750 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung Tartlaus" gefeiert.

Es war wie eine Verabschiedung, ein Auswandern der Tartlauer und der Siebenbürger Sachsen aus der Geschichte.


Autor: Gottfried D. Orendi

Erstellt: 21. Januar 2010 - 18:27. Geändert: 2. Juli 2015 - 21:13.

Auswandern

„Es war wie eine Verabschiedung, ein Auswandern der Tartlauer und der Siebenbürger Sachsen aus der Geschichte.“
Diesen letzten Satz würde ich in dieser Form nicht so recht befürworten.
Denn Ihr seid ja Gott sei Dank in den Stürmen der Geschichte nicht untergegangen. Und trotz all der Gefahren die der Exodus in sich trägt, seid Ihr als Siebenbürger Sachsen in beneidenswerter Weise in der Gegenwart präsent.
Auch wenn eure Präsenz geografisch nicht mehr in der alten Form lokalisiert werden kann, ist das spirituelle Erbe stark und rührend sichtbar, so dass es gerade angesichts der bewältigten Widrigkeiten Faszination bei dem äußeren Betrachter auslöst.
Ihr habt beneidenswerte Strukturen, die es Euch möglich machen können das geistige Erbe über Generationen weiter zu tragen.
Und dies wird mit Herz und Willen, mit Fleiß und Gottes Segen auch gelingen.