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Wirtschaft und Gewerbe in Siebenbürgen
Von den Ursachen der Auswanderung unserer Vorfahren und der Kolonisation Siebenbürgens sind diejenigen wirtschaftlicher Natur von hervorragender Bedeutung. Somit liegt es auf der Hand zu untersuchen, in welcher Weise sich die Hoffnungen unserer Urväter nach der Auswanderung erfüllt haben. Gleichzeitig wollen wir einen Blick auf die Rolle der Siebenbürger Sachsen im wirtschaftlichen Gefüge Siebenbürgens werfen.
- Anfänge und Blütezeit – Siebenbürgen vom 12.-17. Jahrhundert (im Königreich Ungarn und als Fürstentum)
- Sächsische Wirtschaft im 18.–19. Jahrhundert (bis 1867, innerhalb der österreichischen Monarchie)
- Übergang zum Kapitalismus - Sächsische Wirtschaft von 1867–1944 (in Ungarn und Rumänien)
- Wirtschaftliche Veränderungen von 1944 bis heute (Enteignung im sozialistischen Rumänien)
- Fazit
Anfänge und Blütezeit – Siebenbürgen vom 12.-17. Jahrhundert (im Königreich Ungarn und als Fürstentum)
Schaut man sich die Auswanderungsgründe etwas genauer an, dann wird schnell deutlich, dass die wirtschaftlichen Gründe darunter doch recht gewichtig waren. Zu den wirtschaftlichen "Push-Faktoren" der Ostsiedlung (J. Lauer auf http://www.siebenbuerger-bw.de) gehören die Verknappung des bebaubaren Bodens im Westen und die starke Zerstückelung des Grundbesitzes. Als weitere Gründe (nicht wirtschaftlicher Natur) gelten die Überbevölkerung im Westen und die verstärkte bäuerliche Abhängigkeit von den Grundbesitzern.
Als wirtschaftliche Ursache der Herbeiholung (Kolonisation, "Pull-Faktor") ist die von den Initiatoren (hier Ungarn) erkannte Notwendigkeit, die Wirtschaft des Landes weiter zu entwickeln. Als weitere Gründe (nicht wirtschaftlicher Natur) sind die Christianisierung des Landes, Verteidigung der Landesgrenzen und Erhaltung der fürstlichen Macht zu nennen.
Wir wollen hier der Frage nachgehen, inwieweit die Erwartungshaltung beider Parteien (Einwanderer, aber auch der Gastgeber) in Erfüllung gegangen ist.
Die historischen Quellen und Belege der Anfangszeit sind insgesamt sehr spärlich, so auch im wirtschaftlichen Bereich. Viele der Annahmen beruhen auf Schlussfolgerungen, die sich aus "indirekten" Quellen ergeben.
Entgegen früherer Annahmen gilt es heute als erwiesen, dass die Kolonisten, die aus verschiedenen Teilen des deutschen Reiches nach Siebenbürgen kamen und hier zu einem Stamm zusammenwuchsen (der die Bezeichnung "Sachsen" erhielt), nicht ein komplett unbewohntes Land besiedelten. Nach der Völkerwanderung war es ein menschenarmes Gebiet, das sich in einem urwaldähnlichen Zustand befand und wirtschaftlich erschlossen werden musste.
Die als "Hospites" (Gäste) bezeichneten Kolonisten siedelten auf von Szeklern (Südsiebenbürgen) bzw. Petschenegen (Nordsiebenbürgen) verlassenen Gebieten, die davor im Auftrag der ungarischen Krone neu eroberte Gebiete an den Grenzen mit Verhauen absicherten.
Man kann davon ausgehen, dass Neuankömmlinge die vorgefundenen Behausungen und Kirchen nutzten, sofern vorhanden. Die vordringlichste Aufgabe der Siedler bestand darin, das Land für einen fortgeschrittenen Landbau urbar zu machen.
Die Siedler waren zunächst mal hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig. Sie haben die Errungenschaften der sich im Landbau vollziehenden Agrarrevolution mitgebracht. Dazu zählt die Dreifelderwirtschaft, die Nutzung des Pflugs mit Eisenschar und Radgestell, sowie der zweigeteilte Dreschflegel und die Sense. Es wurde hauptsächlich Roggen, Weizen, Dinkel, Gerste und Hafer angebaut.
Die sächsischen Gemeinden wurden gewöhnlich als Straßendörfer nach fränkischer Art angelegt. Alle Familien erhielten gleichgroße Parzellen, die periodisch neu verteilt wurden. Die Dörfer bestanden aus jeweils 15-20 Höfen. Die ursprünglichen 1600 Kolonistenhöfe verteilten sich auf 113 Gemeinden. Häuser werden zunächst rudimentär aus Ruten, Lehm, Holz und Schilf- oder Strohdach gebaut. Erst seit dem 16. Jahrhundert gibt es Steinhäuser.
Der "Hattert" (Gemarkung) einer Gemeinde wurde eingeteilt in Ackerland, Wiesen, Weiden und Wälder. Jeder Hofbesitzer erhielt einen oder mehrere gleich große Äcker, u. zw. bloß zur Nutzung (war also anfangs nicht Privatbesitz). Die Wiesen, Weiden und Wälder wurden nicht aufgeteilt, sondern gemeinsam genutzt.
In den meisten Dörfern wurde eine strikte Dreifelderwirtschaft praktiziert. Es herrschte Flurzwang, so dass auf einem Drittel des Ackers nur Wintergetreide angebaut wurde, auf dem anderen bloß Sommerfrucht, während der dritte ein Jahr brach belassen wurde.
Obst- und Weinbau wird schon frühzeitig urkundlich erwähnt. Bis ins 17. Jahrhundert gab es sogar im Burzenland Weinberge. Das eigentliche Weinland ist jedoch das Kokelgebiet, wie aus mehreren Reisebeschreibungen und anderen Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts hervorgeht. Wein war auch eines der Exportgüter Siebenbürgens.
Rinder und Pferde waren für die Sachsen seit ihrer Ansiedlung die wertvollsten Haustiere. Der Büffel ist erst im 18. Jahrhundert in Siebenbürgen heimisch geworden. Rinder sind in großer Zahl als Schlachtvieh für die Ausfuhr gezüchtet worden. Den Ankauf betrieben Schlachtviehimporteure aus Nürnberg, Regensburg, vor allem aber aus Augsburg.
Mancherorts wurde das Ackerland nicht mehr periodisch neu verteilt. Dadurch, dass das selbe Grundstück immer in der selben Familie verblieb, entwickelte sich allmählich erbliches Privateigentum. So wurde im "Eigenlandrecht" von 1583 der Verkauf von Grundstücken geregelt, z.B. das Vorkaufsrecht durch Anverwandte und Nachbarn.
Handwerksleistungen waren von Anfang an sehr gefragt: zuerst hauptsächlich Schmiede und Zimmerleute, später dann auch Maurer, Töpfer und Steinmetze.
Rumänen, die sich auf Sachsenboden niederließen, war es nicht erlaubt, Grundbesitz zu erwerben. Frei gewordene Höfe und Grund wurden trotzdem an Rumänen verteilt. Diese hatten jedoch keinen Anspruch auf Besitz und waren bloß toleriert.
Die Kolonisten aus dem Westen haben den siebenbürgischen Städtetypus und allgemein das Städtewesen maßgeblich geprägt. Es sind deutliche Unterschiede zu den umliegenden Regionen (Balkan, Ukraine, Russland, Moldau) erkennbar. Die ersten mittelalterlichen Städte der rumänischen Fürstentümer waren übrigens deutsche Gründungen.
Einige der siebenbürgischen Städte haben durchaus das Entwicklungsstadium westeuropäischer Städte erreicht (Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz, Klausenburg, Schäßburg, Mühlbach). Der Stadtplan und die Bebauung der sächsischen Städte befolgte deutsche Vorbilder. Diese wurden nach und nach befestigt, aber erst die verheerenden Überfälle der Türken vom Ende des 14. Und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts führten zur Beschleunigung des Baus von städtischen Verteidigungsanlagen bzw. von ländlichen Wehrkirchen und Kirchenburgen.
Nach der Reformation ging die deutsche Bevölkerung in Klausenburg immer mehr zurück bzw. im Ungarntum auf. Klausenburg wurde eine ungarische Stadt.
Über das Handwerkswesen gibt es ab dem 14. Jahrhundert reichlich Informationen. Zünfte sind ab 1367 in Bistritz und ab 1369 in Klausenburg dokumentiert. 1376 gibt es in Hermannstadt 19 Zünfte und 25 Gewerbe. Mitte des 16. Jahrhunderts gab es in Hermannstadt 28 Zünfte mit über 30 Gewerbezweigen. Ganz allgemein darf man feststellen, dass das siebenbürgische Zunftwesen einem Vergleich mit vielen Städten Deutschlands standhält.
Die Zünfte befanden sich in sächsischen Städten ausschließlich in sächsischen Händen. Nichtsächsische Lehrlinge, Gesellen und Meister wurden nicht aufgenommen. Bis ins 19. Jahrhundert waren die Zünfte die wichtigsten Wirtschaftsverbände der Städte.
Schon der Goldene Freibrief von 1224 sicherte den Siebenbürger Sachsen Zollfreiheit zu, beste Voraussetzungen für einen blühenden Handel. Mit der Erstarkung der Gewerbe nimmt der Binnenhandel zu. Das siebenbürgisch-sächsische Gewerbe war jedoch auch in den schwächer entwickelten Donaufürstentümern gefragt, was den Fernhandel begünstigte. In diesem Zusammenhang sind die Handelsprivilegien für die Kronstädter Händler zu nennen: seitens des ungarischen Königs Ludwig I. (1358) und seitens des rumänischen Fürsten Mircea dem Alten (1413).
Das sächsische Gewerbe und Handelswesen dürfte um 1500 seinen Höhepunkt erreicht haben. Nach der Besetzung Ungarns durch die Türken wurden viele Handelswege gekappt. Rumänische, armenische und griechische Kaufleute rissen immer mehr Geschäfte an sich, so dass ab Ende des 17. Jahrhunderts die sächsischen Kaufleute nur noch eine untergeordnete Rolle spielten.
Sächsische Wirtschaft im 18.–19. Jahrhundert (bis 1867, innerhalb der österreichischen Monarchie)
In dieser Epoche vollzogen sich auf dem Sachsenboden in der Wirtschaftweise keine grundlegenden Veränderungen. In der Landwirtschaft wurde weiterhin die Dreifelderwirtschaft betrieben und in den Städten bestimmten die in Zünften organisierten Handwerker das Wirtschaftsleben. Die sächsischen Kaufleute wiederum standen in einem harten Konkurrenzkampf mit nichtsächsischen Handelsunternehmen.
Nach dem Kuruzzenkrieg (1711) erholte sich die Wirtschaft nach den verheerenden Bürgerkriegen des vergangenen Jahrhunderts.
Eine florierende Wirtschaft schlägt sich immer auch in der Bevölkerungszahl nieder. So ist Kronstadt um 1720 mit über 17.000 Einwohnern die mit Abstand größte Stadt Ungarns.
Der vom österreichischen Staat geförderte Merkantilismus (Förderung einer rationalen Ökonomie) hat in Siebenbürgen wenig bewegt, weil die feudalen Schranken sich als sehr stark erwiesen.
Hatte zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch das Gemeindeeigentum über die Ackerflächen dominiert, so überwog Ende des Jahrhunderts schon der Privatbesitz. Der Boden wurde nicht mehr unter den Familien neu aufgeteilt, sondern weitervererbt bzw. konnte verkauft werden. Dies führte zu einer stärkeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Differenzierung. Weiden und ein Teil der Wälder blieben weiterhin im Besitz der Gemeinden.
Verbesserungen in der Agrarproduktion setzten sich nur schleppend oder gar nicht durch. Erwähnenswert sind die Bemühungen von Gubernator Samuel von Brukenthal, der in Hermannstadt mit diversen Initiativen versuchte, Verbesserungen herbeizuführen. So ließ er ein Treibhaus und eine Orangerie anlegen, pflanzte Obstbäume, Sträucher, Spargel und sonstige Gemüsekulturen. Auch gab er unentgeltlich Setzlinge und Reiser zum Veredeln der Obstbäume ab.
Der Anbau von Mais verbreitete sich im 18. Jahrhundert sehr stark, der Kartoffelbau dafür erst nach 1800.
Die Viehzucht wurde durch Herabsetzung der Viehtaxen gefördert. Bis ins 19. Jahrhundert wurde Vieh auch in den Städten gehalten.
Sehr verbreitet war die Bienenzucht.
Ab Ende des 18. Jahrhunderts hatte man den Anschluss an den im Westen erzielten Fortschritt verloren. Junge sächsische Studenten erkannten diesen Zustand und versuchten, wie St. L. Roth, dagegen anzukämpfen. Er konnte zwischen 1845 und 1848 etwa 1800 Schwaben aus Württemberg zur Aussiedlung bewegen. Dem Siedlungswerk war jedoch kein Erfolg beschert, da es nicht gut genug vorbereitet war und sich unter den angesiedelten Schwaben kaum Landwirte befanden, die den sächsischen Bauern ein Vorbild hätten sein können.
Durch die Agrargesetze nach der Revolution von 1848/49 wurden etwa 40.000 untertänige sächsische Bauern des Komitatsbodens von Frondiensten und anderen feudalen Verpflichtungen befreit.
Das Gewerbe war auch im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Zünften beherrscht.
Die Konkurrenz für sächsische Handwerke wurde immer größer. So kamen nach der Gründung der Donaudampfschifffahrtgesellschaft (1830) auf dem Seeweg billigere Waren aus Westeuropa. Hinzu kam, dass auch die Qualität der sächsischen Waren nicht immer auf der Höhe der Zeit war. Es wurden die ersten zunftmäßig betriebene Manufakturen und kleine Fabriken gegründet.
Um 1800 hatte Siebenbürgen den Anschluss an die industrielle Entwicklung der österreichischen Erbländer und des Westens verloren. Es entbrannte ein heftiger Streit, wie die Schattenseiten des Frühkapitalismus verhindert werden können. Die versteinerten Zünfte wehrten sich mit aller Kraft gegen die Gewerbefreiheit und gegen die Zulassung von Fabriken.
Eine zaghafte industrielle Entwicklung setzt nun trotzdem ein, so dass im Jahre 1844 über 4500 Personen in Fabriken und Manufakturen beschäftigt sind. Während in ganz Siebenbürgen auf 32 Einwohner ein Handel- und Gewerbetreibender fiel, war das Verhältnis bei den Siebenbürger Sachsen 16:1.
Durch die Gewerbeordnung von 1859 wurde die Gewerbefreiheit eingeführt, die formelle Auflösung der Zünfte erfolgte 1872.
Die ersten Banken Siebenbürgens werden gegründet: 1835 die Sparkasse in Kronstadt und 1841 in Hermannstadt.
Um 1850 gab es in Siebenbürgen 67 Postämter und 10 Postexpeditionen. Der Postwagen nach Wien verkehrte jeden zehnten Tag. Seite 1853/54 besaßen Hermannstadt und Kronstadt ein Telegrafenamt.
Aus dem 19. Jahrhundert gibt es etliche Reiseberichte, die bezeugen, dass – trotz einiger Rückstände im Vergleich mit Deutschland – das Sachsenland mit seiner freien Bürger- und Bauernschaft ein Musterland für die übrigen Landesgebiete und gegenüber den rumänischen Fürstentümern darstellte.
Der vielgereiste, englische Lord John Paget (mit einer ungarischen Adligen verheiratet) ist zwar auf die Sachsen nicht in allen Belangen gut zu sprechen, aber er schildert seine Beobachtungen bei der Landarbeit der Sachsen folgendermaßen: „Einige säeten, andere hantierten mit der Mistgabel und Spaten, andere hielten den Pflug und - Du magst es glauben oder nicht, lieber Leser - dort saß auch die derbe sächsische Hausfrau en cavalier auf dem linken Hinterpferde und fuhr mit einem Viergespann so kaltblütig als möglich.... Die Sachsen sind ein wirthschaftliches Volk, und wenn auch nicht sehr romantisch und ritterlich, so sind sie doch klug und arbeitsam... Im Übrigen sind die Sachsen unzweifelhaft die fleißigsten, beständigsten und mäßigsten aller Bewohner Siebenbürgens, und sie sind daher auch die am besten wohnenden, am besten gekleideten und unterrichteten...“ (Aus: John Paget: "Ungarn und Siebenbürgen", Band 2, Leipzig, 1842).
Übergang zum Kapitalismus - Sächsische Wirtschaft von 1867–1944 (in Ungarn und Rumänien)
Der österreichisch-ungarischen Ausgleich im Jahre 1867 (Umwandlung des Kaisertums Österreich in die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn) brachte für Siebenbürgen eine Reihe wirtschaftlicher Vorteile in Form von Förderungen, führte aber gleichzeitig zur Auflösung des Königsbodens und damit zum endgültigen Verlust der sächsischen Selbstverwaltung und Privilegien.
Neben Kirche und Schule wurde nun zunehmend die Wirtschaft ein Faktor der Existenzsicherung. Man versuchte den bisherigen wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber den anderen Völkerschaften Siebenbürgens zu halten und auszubauen.
Über den Weg dieses Ziel zu erreichen gab es unterschiedliche Vorstellungen. Während des zweiten Sachsentages (1890) drängt der führende Kopf, Dr. Karl Wolff darauf, die Großindustrie zu fördern. Es gab jedoch Bedenken damit die Einheit des sächsischen Volkes zu zerstören, indem die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird.
Es gab Bestrebungen einen "sächsischen Kapitalismus" zu verwirklichen. Dabei setzte man auf folgende Prinzipien: Unterstützung der Schwachen, bevorzugte Einstellung von Sachsen in Fabriken und kein Beitritt zu nichtsächsischen Interessenverbänden.
Der "sächsische Kapitalismus" konnte zwar nicht umfassend realisiert werden, hat aber dazu geführt, dass bei den Sachsen die für den Kapitalismus charakteristische sozial-wirtschaftliche Differenzierung nicht so stark ausgeprägt war.
Es ist jedoch eine Abwanderung der armen Landbevölkerung in die Stadt zu verzeichnen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse, kommt es seit Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder zur Auswanderung in die USA, Rumänien oder Deutschland. Aufgrund der kirchlichen völkischen Hilfe hat es keine sächsische Massenarmut gegeben.
Die nun einsetzenden Fortschritte in der Landwirtschaft sind auf die hervorragende Arbeit des Siebenbürgisch-Sächsischen Landwirtschaftsvereins und die finanzielle Hilfe der Raiffeisengenossenschaften und der sächsischen Banken zurückzuführen.
Mit Zuschüssen der Nationsuniversität nahmen drei Ackerbauschulen den Lehrbetrieb auf: 1870 in Bistritz, 1871 in Marienburg und Mediasch. Eine große Verbreitung fanden die "Landwirtschaftlichen Blätter", die ab 1873 erschienen und der landwirtschaftliche Kalender "Der Pflug" (1928 – 1944).
Die Kommasation (Grundzusammenlegung) wurde ab 1871 vorangetrieben, kam aber erst um die Jahrhundertwende etwas in die Gänge. 1904 hatten 96 und bis Ende des I. Weltkrieges 181 von 230 sächsischen Gemeinden die Kommasation abgeschlossen.
Nach dem I. Weltkrieg ist Siebenbürgen Bestandteil Rumäniens. Durch die rumänische Agrarreform von 1921 wurde ein Großteil des sächsischen Gemeinschafts- und Kirchenbesitzes zugunsten der Rumänen enteignet.
Aufgrund der Fortschritte in der Landwirtschaft entstand der Bedarf für weitere Fabriken. So wurde 1889 in Brenndorf eine Zuckerfabrik gegründet. In Zeiden wurden zwischen 1885 und 1990 drei Handelsblumengärtnereien eröffnet.
Durch die Einführung neuer Geräte und Maschinen wurde die Effektivität in der Landwirtschaft weiter gesteigert. Der erste Sackpflug war 1887 von der Marienburger Ackerbauschule ein- und vorgeführt worden. Um die Jahrhundertwende besaßen 90 Prozent der Burzenländer Landwirte den neuen Sackpflug. Anfang der 1920er Jahre gelangten die ersten Traktoren im Burzenland zum Einsatz.
Durch die genannten Maßnahmen erreichte die sächsische Landwirtschaft im Burzenland westeuropäischen Standard. Die Erträge waren um ein Viertel höher als die der benachbarten rumänischen Dörfer.
Das Maschinenzeitalter wurde in Siebenbürgen durch den Eisenbahnverkehr eingeleitet. Die Strecke Klausenburg – Schäßburg – Kronstadt wurde in den Jahren 1868 bis 1872 dem Verkehr übergeben. Hermannstadt erhielt erst 1897 eine Hauptstrecke. Bistritz erhielt bloß einen Seitenanschluss, was sich negativ aus seine weitere wirtschaftliche Entwicklung auswirkte.
Die ersten Autos tauchen in Siebenbürgen um 1900 auf. Innerhalb der Städte verkehren Dampftrambahnen (1891 in Kronstadt) oder elektrische Straßenbahnen (1904 in Hermannstadt). Erste Schauflüge mit einem selbstgebauten Flugzeug veranstaltete der Zeidner Ingenieur Albert Ziegler im Jahre 1913. Im selben Jahr stürzte der Rumäne Aurel Vlaicu tödlich bei dem Versuch die Karpaten zu überfliegen.
Das erste Wasserkraftwerk Siebenbürgens wurde für Hermannstadt und Heltau 1896 am Zoodt errichtet, 1907 ein zweites. Die anderen Städte und größere Ortschaften folgten, so Schäßburg (1903), Zeiden (1903), Kronstadt (1910), Sächsisch-Regen (1911), Bistritz (1913), u.a. Die Städte führten nun auch die elektrische Straßenbeleuchtung ein.
Um den Bau des Elektrizitätswerks in Tartlau hat man viele Jahre hart gerungen. Als es endlich soweit war, wird fast "andächtig" über die Errungenschaft gesprochen.
Am 10.01.1914 ist in der Zeitung zu lesen: "Unsere elektrische Beleuchtung unter der Leitung des diplomierten Ingenieur Robert Goldschmidt macht gute Fortschritte. Schon vor drei Wochen waren die Gassen beleuchtet; heute sind auch die öffentlichen Gebäude und viele Privathäuser mit Licht versehen und bald wird die ganze Gemeinde das ersehnte, schöne Licht haben.
Besonders in der Neujahrsnacht war der Markt verschwenderisch mit dem herrlichen Lichte überschüttet; selbst der Turm sendete aus 16 vielfarbigen Birnen den Neujahrsgruß weiterhin durch die stille Nacht zu den Nachbargemeinden.
Das Licht ist schön, ruhig und ausgiebig, fast zu reich.
Wenn es so bleibt, bis alle Privathäuser angeschlossen sind, können wir sehr zufrieden sein.
Freilich, was es kostet das steht auf einem anderen Blatt, die Dividende der Aktionäre sind auf Hoffnung und Wartegebühr gestellt."
Eine große Anzahl von sächsischen Handwerkern wanderte nach Rumänien aus. So entstanden in mehreren rumänischen Städten deutsche Kolonien. Es gab einige Fabrikgründungen von Kronstädter Unternehmen im nahegelegenen Prahovatal (Papierfabrik 1982 und das Sägewerk der Brüder Schiel 1892 in Busteni, die Tuchfabrik Scheeser und Rhein 1884 und die Bierbrauerei 1900 in Azuga, die Zementfabrik Erler 1885, die Möbelfabrik Rhein Cie. 1889, etc.).
Die meisten sächsischen Fabrikgründungen sind aus Familienbetrieben hervorgegangen. Hier einige davon:
- Kronstadt: Tuchfabriken Scherg und Tellmann, Bierbrauerei Czell, Maschinenfabriken Teutsch und Schiel, Kanditen- und Schokoladefabrik Hess, Kunstmühle und Teigwarenfabrik Seewaldt
- Hermannstadt: Eisengießerei Rieger, Tuchfabrik Scherer, Strickwarenfabrik Vogelsang, Waagenfabrik Heß, Bierbrauerei Jickeli
- Schäßburg: Weberei Löw, Tuchfabrik Gebrüder Zimmermann
- Mediasch: Lederfabrik Karres, Wollweberei Stürzer, Salamifabrik Auner
Eine Aufstellung aus dem Jahre 1933 ergibt, dass sich über zwei Drittel aller Betriebe in Südsiebenbürgen in sächsischer Hand befanden. Überwiegend sächsisch war die Textilindustrie, die Maschinenindustrie, einige Zweige der Nahrungsmittelindustrie, die Papierfabriken und die Industrie Steine und Erden.
Anfang der 1940er Jahre waren die deutschen Industrieunternehmen Gesamtrumäniens zahlenmäßig mit einem Anteil von 12,5 Prozent an der Industrie des Landes beteiligt, lieferten aber im Durchschnitt 27 Prozent der Produktion.
Wirtschaftliche Veränderungen von 1944 bis heute (Enteignung im sozialistischen Rumänien)
Die bedingungslosen Kapitulation Deutschlands hatte für die in Rumänien lebende deutschsprachige Bevölkerung (Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben) verheerende Folgen. Die rumäniendeutschen Staatsbürger des Landes wurden für die Außenpolitik Rumäniens verantwortlich gemacht (Beteiligung am Krieg als Verbündeter Deutschlands), obwohl Sie keinen Einfluss darauf hatten.
Schon am 24.11.1944 wurde in einem Artikel der Kommunistischen Zeitung "Scânteia" unter dem Titel "Rumänen und Sachsen in Tartlau" gefordert, die ungleiche Bodenverteilung zwischen Rumänen und Sachsen durch Enteignung der Sachsen zu beseitigen. Diese willkürliche Art das Bauernproblem zu "lösen" wurde sehr bald in die Tat umgesetzt.
Durch das Bodenreformgesetz vom 23.03.1945 wurde die Enteignung aller Angehörigen der deutschen Volksgruppe (mit wenigen Ausnahmen) angeordnet. Der enteignete Boden wurde an Bauern mit keinem oder wenig Boden zugeteilt und war damit gleichzeitig ein Instrument der neuen kommunistischen Machthaber die rumänische Dorfbevölkerung für die kommunistische Politik zu gewinnen.
Obwohl durch das Bodenreformgesetz nicht abgedeckt, wurden auch Häuser und Höfe der sächsischen Bevölkerung enteignet. Die sächsischen Familien wurden zusammengepfercht oder in Hinterstübchen verdrängt. Oft kam es zu Ausschreitungen und zu erniedrigender Behandlung der Sachsen.
Am schwersten hatten es die Sachsen Nordsiebenbürgens, die zumeist aus ihren Dörfern vertrieben wurden.
Obwohl die Kirchen und Klöster von der Enteignung ausdrücklich ausgenommen werden sollten, wurde der Boden der evangelisch-sächsischen Kirche auch enteignet.
Dazu kam noch, dass im Januar 1945 arbeitsfähige Frauen und Männer zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert und erst 1948/1949 wieder entlassen wurden.
Durch obige Faktoren wurde den Sachsen weitestgehend ihre Existenzgrundlage entzogen und dieser Verlust konnte – anders als die Rückschläge der vorigen Jahrhunderte – nie mehr wettgemacht werden.
Es folgte eine gezielte Rumänisierung durch Zuwanderung von Kolonisten aus rumänischen Dörfern.
Nach 1945 mussten sich viele sächsische Bauern als Tagelöhner auf ihrem ehemals eigenen Boden den Unterhalt verdienen. In kürzester Zeit hatten die aus allen Teilen Rumäniens herangeholten und unerfahrenen "Neubauern" den Viehbestand dezimiert und die deutschen Bauernhöfe ruiniert.
Für die Deutschen Rumäniens bewirkte die Bodenreform eine radikale berufliche und soziale Umstrukturierung. Waren vor dem II. Weltkrieg etwa 70 Prozent der Siebenbürger Sachsen als selbständige Landwirte beschäftigt gewesen, arbeiteten 1956 nur noch 25 Prozent der Rumäniendeutschen in der Landwirtschaft (in Genossenschaften bzw. Staatsfarmen). Der Prozentsatz der Arbeiter lag mit 57 Prozent weit über dem Landesdurchschnitt von 29 Prozent. Daraus ist der überaus starke Anteil der enteigneten, besitzlosen deutschen Arbeitnehmer ersichtlich.
1946/1947 war sogar eine Zwangsumsiedlung der Sachsen in rumänische Gebiete geplant, die aus ungeklärter Ursache nicht umgesetzt wurde. 1952 wurden dann tatsächlich etwa 2000 Sachsen aus Kronstadt und Umgebung in andere Ortschaften Siebenbürgens zwangsevakuiert, um Wohnraum für Parteifunktionäre zu schaffen. Erst nach mehreren Jahren durften sie wieder zurückkehren.
1948 erfolgte dann die Nationalisierung aller Bodenschätze, der Industrie, der Versicherungen und der Banken, von der alle rumänischen Staatsbürger betroffen waren. Die gewesenen Eigentümer ("Kapitalisten") wurden verfolgt, diskriminiert und oft eingesperrt.
Vor dem Hintergrund dieser radikalen Veränderungen mussten sich die Sachsen neuen Berufen zuwenden und nach neuen Existenzmöglichkeiten suchen. Durch den Besuch von Berufs-, Mittel- und Hochschulen haben sie sich als gesuchte Fachkräfte etabliert.
Es erfolgte eine nicht unbeträchtliche Abwanderung in die Städte. Die Städte haben ihren sächsischen Charakter aber mehr und mehr verloren, weil der Zuzug von Rumänen in deutlich höherem Umfang stattfand. Viele haben sich auf ein Pendlerdasein umgestellt, nachdem die Vielzahl der Arbeitsplätze in der Industrie nur in den Städten vorhanden war.
1956 wurden die 1945 unrechtmäßig enteigneten Häuser wieder zurückerstattet.
Die sächsische Bevölkerung hat sich auch unter den sozialistischen Bedingungen ihrer Verantwortung gestellt. Einige der wenigen privaten und auch einige Staatsbetriebe (s.a. die Beiträge zur Tartlauer Wirtschaft) sind nicht zuletzt auch durch unseren Beitrag zu relativ erfolgreichen Unternehmen aufgestiegen.
Nach und nach wurde jedoch die Aussiedlung in die Bundesrepublik als einzige Möglichkeit angesehen, der kommunistischen Misswirtschaft und der ethnischen Unterdrückung dauerhaft zu entgehen.
In den 1970er Jahren hat der Prozess der Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland in größerem Maße begonnen. Wie wir heute aus sicheren Quellen wissen, wurde auch ein "Kopfgeld" seitens der Bundesrepublik an Rumänien gezahlt und jährliche Quoten der Auswanderung vereinbart. Je mehr Personen auswanderten, desto größer wurde auch bei den Hinterbliebenen der Wunsch ihnen zu folgen. Eine Lawine kam ins Rollen, die nicht mehr aufzuhalten war.
Viele der Auswanderungsgründe sind seit Dez. 1989 theoretisch entfallen. Faktisch war jedoch die Situation so, dass zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise 90 Prozent der sächsischen Bevölkerung entweder den Ausreiseantrag schon gestellt hatte oder nur darauf wartete, einen Anverwandten ersten Grades in der BRD zu haben, um dann sofort den Antrag zu stellen. Die Auswanderung lief in den zwei Jahrzehnten zuvor unter dem Deckmantel der "Familienzusammenführung"...
So wie in der Natur, gibt es auch in der Gesellschaft irreversible Prozesse. Ich denke, dass der Auswanderungsprozess ein solcher war. In dem Moment, in dem die Auswanderung möglich war, haben die meisten Siebenbürger Sachsen diese Chance genutzt.
Der Großteil der sächsischen Bevölkerung Rumäniens hat 1990 und in den Jahren danach Rumänien Richtung Deutschland verlassen. Die Häuser wurden in den meisten Fällen zu Schleuderpreisen veräußert oder ein Administrator eingesetzt, in der Absicht die Häuser zu einem späteren Zeitpunkt zu vermarkten.
Bis 1990 wurden entsprechend dem Lastenausgleichgesetz für Vertriebene gewisse Entschädigungen für die verlorenen Güter in der Heimat gezahlt und Starthilfen gewährt. Diese Vergünstigungen sind in der Zwischenzeit größtenteils entfallen. Leider wurden sogar zugesagte Rentenbeträge für Beschäftigungszeiten im Aussiedlungsgebiet ab 1996 um 40 Prozent gekürzt.
Abschließend muss man feststellen, dass die meisten der aus Rumänien ausgewanderten Sachsen sich in der Bundesrepublik in Rekordzeit eingelebt und bestens in das wirtschaftliche Leben eingegliedert haben.
Fazit
Die Siebenbürger Sachsen haben durch ihre Niederlassung in Siebenbürgen viele ihrer Ideale, die sie aus der Urheimat mitgebracht hatten, verwirklicht und damit ihr Streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit und sozialer Freiheit in die Tat umgesetzt. Die Erwartungshaltung der ungarischen Gastgeber (Entwicklung der Wirtschaft des Landes, Christianisierung und Verteidigung der Landesgrenzen) wurden desgleichen erfüllt.
Durch wechselnde Landesherren haben sich die Siebenbürger Sachsen in ihren Zielen nicht beirren lassen. Sie waren immer loyale Staatsbürger und haben trotzdem ihre Identität und die Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis nie aufgegeben. Das hat man Ihnen nicht leichtgemacht. Es hat immer wieder Bestrebungen gegeben, die relativ kleine Volksgruppe zu unterwandern, zu magyarisieren oder zu romanisieren. Mit viel Geschick und Stehvermögen konnte eine Volksgruppe, die nie mehr als 300.000 Mitglieder gezählt hat, sich über 8 Jahrhunderte auf einem Gebiet behaupten, das so groß ist wie Baden-Württemberg und Hessen zusammen.
Den Vorsprung auf wirtschaftlichem Gebiet, den unsere Vorfahren als Einwanderer mitgebracht hatten, nutzten sie zum eigenen Wohle, trugen aber ganz eindeutig zum wirtschaftlichen Fortschritt der gesamten Region bei. Die wirtschaftliche Vormachtstellung der von Sachsen bewohnten Gebiete konnte zum Teil bis zum Beginn der sozialistischen Ära beibehalten werden.
Über die Jahrhunderte haben die Sachsen ihre eigene wirtschaftliche und kulturelle Mission definiert und diese trotz aller Widrigkeiten zielstrebig verfolgt. Das Erbe, das sie hinterlassen haben, kann sich sehen lassen und ist auch jetzt noch in vielen Gemeinden und Städten Siebenbürgens klar erkennbar.
Als Volksgemeinschaft haben sich die Siebenbürger Sachsen in Deutschland und anderen Ländern dieser Welt wiedergefunden und pflegen weiterhin die alten Traditionen.
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen", Michael Kroner.
Erstellt: 3. Mai 2010 - 11:27. Geändert: 30. November 2010 - 21:04.
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