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Kirchenburg Tartlau - UNESCO-Welterbestätte seit 1999

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Herta Wilk - Betrachtungen zur Volkskunst

Als Autorin der zwei Mustermappen „Sächsische Leinenstickereien aus Tartlau“ (1976) und „Siebenbürgisch–sächsische Webmuster aus Tartlau“ (1982) ist Lehrerin Herta Wilk über Siebenbürgen hinaus bekannt. Im Zusammenhang mit dem Sammeln und Aufzeichnen der sächsischen Stick- und Webmuster hat Herta Wilk Gemeinsamkeiten in den verschiedenen Segmenten der Volkskunst entdeckt. Sie hat in zahlreichen Artikeln und Aufsätzen versucht den Ursprung verschiedener Ornamente zu ergründen und die gegenseitige Befruchtung verschiedener Kulturen darzustellen.

Holbein – Stickerei in Siebenbürgen

Die siebenbürgisch–sächsische Bäuerin meisterte im Laufe der Jahrhunderte 54 Sticharten, schreibt der Volkskundler Ludwig Klaster aus Urwegen. Dabei war der sächsischen Bäuerin auch der Holbein- oder Linienstich bekannt, wie die folgenden Abbildungen zeigen.

Der große deutsche Maler Holbein lebte Anfang des 16. Jahrhunderts in Augsburg, wo er im Jahre 1525 die Tochter des Bürgermeister Meyer malte, deren Schleier mit Ornamenten dieser Stichart verziert ist. Diese Handarbeit wurde in der Fadenzähltechnik mit Hilfe eines Rahmens ausgeführt und stellte an die Stickerin große Ansprüche, weil die vorschriftsmäßig ausgeführte Stichart es erlaubte „beidseitig“ verwendet zu werden.

Diese Sticktechnik kam in den vergangenen Jahrhunderten hauptsächlich in den Klöstern zur Blüte. Die zarten linienförmigen Ornamente wurden auf Mustertüchern festgehalten und so von Generation zu Generation weitergegeben.

Ornament "kleiner Stern".

Das hier abgebildete Ornament ziert eine Tisch- oder Altardecke aus dem Besitz der Schäßburger Klosterkirche mit der Jahreszahl 1591. Die Stickerin hat die Decke zum Andenken an Michael und Georgius Ruet der Kirche geschenkt, deren Namen darauf verewigt sind. Neun große und kleine Sterne in deren Zweigen kleine Vöglein sitzen, zieren die mit rotem verblichenem Baumwollgarn gestickte Decke. An den beiden kurzen Seiten der Handarbeit ist, durch Aussparung des Ornaments, auf der einen Seite ein Rehmuster zu sehen und auf der gegenüber liegenden Seite bilden Löwen mit offenem Maul, gegabeltem Schwanz und langen Krallen ein interessantes Muster, welches in ähnlicher Form oft auf orientalischen Teppichen zu sehen ist.

Solche Handarbeiten von kulturhistorischem Wert habe ich auch in der Hermannstädter Gegend gefunden und aufgezeichnet; sie stammen aus der gleichen Zeit wie die oben beschriebene Altardecke aus Schäßburg.

Assisi – Stickerei aus Tartlau und der Bistritzer Gegend

Zu den ältesten Nadelarbeiten Siebenbürgens gehören die im Holbein- oder Linienstich gearbeiteten Stickereien, die schon im Mittelalter zu den volkstümlichen Handarbeiten zählten.

Im 13. und 14. Jahrhundert pflegte man in Italien eine kombinierte Stickart, bei welcher mit schwarzem Garn die Konturen des Ornaments im Linienstich und dann die Füllung des Grundes mit buntem Garn – grün, rot oder blau – in Kreuzstich ausgeführt wurde, wobei das Muster immer negativ, d.h. ausgespart blieb.

Diese Art der Stickerei erlebte im Kloster des Heiligen Franziskus, in Assisi (Italien), eine besondere Blüte, und gelangte im Laufe der Zeit auch nach Siebenbürgen.

Polsterüberzug aus Tartlau mit Assisi-Stickereien.

Die Abbildung zeigt einen reich mit brauner Schafwolle bestickten Polsterüberzug der Rosi Rosenauer aus Tartlau. Hier sieht man die Burzenländer Arbeitsweise dieser Stichart in einer Farbe: mit naturbrauner Schafwolle wurden erst die Konturen der Ornamente nach gezählten Webfäden im Linienstich gearbeitet und die Füllung des Grundes mit derselben Wolle in Zopfstich so ausgeführt, dass das eigentliche Muster ausgespart blieb.

Das Hauptornament schmückt den sichtbaren Teil des Polsters und ist mit zwei verschiedenen Verzierungen in Zopfstich begrenzt. Zarte Ornamente in Holbein- und Doppelkreuzstich zieren den Rand der zwanzig Sternmotive dieses reich bestickten Kissens.

Ornamente

Sechs Jahre brauchte der vielseitige siebenbürgische Forscher Emil Sigerus um die schönsten Ornamente der von ihm gesammelten sächsischen Leinenstickereien, unter den damaligen Gegebenheiten, auf klein kariertes Papier zu zeichnen. Die in mehreren Auflagen erschienene Arbeit diente seit ihrem Erscheinen im Jahre 1904 unzähligen Frauen als Vorlage zur Verschönerung ihrer Wohnung, Kleidung und Tracht.

Um einen Überblick über den immensen bäuerlichen Schatz an Motiven zu bekommen, stellte er eine Statistik auf, aus der hervor geht, dass unter 291 Mustern 69 Tiergestalten vorkamen, darunter 17 Tierarten.

Unter den Vogelmotiven lassen sich der Pfau, der Hahn, die Taube, der Schwan und der Adler durch ihre charakteristischen Merkmale deutlich voneinander unterscheiden.

Von den Vierfüßlern ist der Hirsch am häufigsten vertreten. Außerdem kommen noch das Pferd und der Löwe vor.

Auch orientalische Teppichmuster übten ihren Einfluss aus, und brachten Greife und andere Tiere in den sächsischen Ornamentenschatz.

Menschen wurden selten dargestellt, dafür gab es schon früh die aus der Webkunst übernommenen geometrischen Muster in zahllosen Variationen.

Blumen und Pflanzenornamente waren in der Nadelkunst sehr beliebt, und da vor allem die Nelke, Tulpe und Rose, die in Nordsiebenbürgen Bett-, Tischdecken und Wandbehänge in bewundernswertem Formenreichtum zierten.

Im 19. Jahrhundert gab es Mustermappen die eine Menge Vorlagen mit Zieralphabeten enthielten, die auch bei uns bekannt waren. In diesem Zusammenhang ist der Fleiß und die Ausdauer der Bistritzer Stickerinnen zu bewundern, die nicht nur ihre Namen, sondern auch das Entstehungsjahr der Nadelarbeit, und auch ganze Sinnsprüche in Zierbuchstaben auf der Hausweberei verewigten.

Im Mittelalter, als noch der Aberglaube und die Unwissenheit über die Natur und das Leben der Menschen bestimmte, bestickten die Bäuerinnen ihr Gewebe nicht nur um es dekorativ zu gestalten, sondern der Sinn ihrer Kunst war ein tieferer. Besonders auf Familien- und Nachbarschaftsfesten, wenn die schönsten Handarbeiten sichtbar auf Ehrenplätzen in der guten Stube hingen, hatten sie Gelegenheit ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken und sich mit Schönheit und Sinnbildern zu umgeben. Der Bedeutung der einzelnen Motive, von denen einige sehr häufig vorkommen, nachzuforschen, ist sehr kompliziert, da sich der ursprüngliche Sinn im Laufe der Jahrhunderte geändert oder ganz verloren hat.

Der Pfau ist der älteste Ziervogel Europas. Unerhört schön ist die Farbenpracht eines Pfauenhahns, wenn er in der Balzzeit vor den schmucklosen Hennen das grün golden glänzende Rad schlägt. Sein lauter Ruf aber wirkt störend.

In den Gemeinden Deutsch-Weisskirch und Rode hat sich die sächsische Tracht in ihrer alten Art bis auf den heutigen Tag erhalten. In der einen, wie in der anderen Gemeinde hat man sich am Hochzeitstag mit teuren Pfauenfedern geschmückt, die nach dem Fest in einer hölzernen Schachtel mit Glasdeckel als Wandschmuck zur Erinnerung an diesen Tag aufbewahrt wurden.

Die Nachtigall trägt im Gegensatz zum Pfau ein erdfarbenes braunes Schutzkleid und baut ihr Nest tief im Gestrüpp einer Flussaue. Erst durch die Methode der Beringung der Füße konnte festgestellt werden, dass nur der Nachtigallhahn zu dem wunderbaren jauchzenden und schluchzenden Gesang während der Brutzeit des Weibchens fähig ist.

Dem Kuckuck, einer der vielen in der langen Reihe der Volkskunst dargestellten Vögel, über den man sich auch früher Gedanken gemacht hat, werden nach menschlichem Maßstab seine Gewohnheiten bei der Fortpflanzung als gewissenlos angekreidet. Noch im Mittelalter galt er als Sinnbild der Unmoral.

Der Schwan ist ein kräftiger Vogel mit langem Hals und mächtigen Schwingen. Er lebt auf stehenden Gewässern wo er sich mit Wasserpflanzen ernährt und geht nur selten an Land. Die Schwäne bauen gemeinsam große Nester im flachen Wasser und sorgen gemeinsam auf die Jungen. Einmal gefunden, leben die Paare ihr ganzes Leben zusammen, daher ist der Schwan zum Symbol der Treue geworden.

Der Rabe. Den äußern Merkmalen nach zu schließen, könnten die gewebten Vögel auf einer Polsterkappe aus Martinsdorf (1795) Raben sein. Sie sind Allesfresser und lassen sich gern bei Abfallhaufen menschlicher Siedlungen nieder. Das Weibchen brütet und wird in der Zeit vom Männchen gefüttert. Auch beim Nestbau und der Betreuung der Jungen beteiligen sich beide Eltern. Sie sollen sehr alt werden, und sind darum das Symbol der Langlebigkeit.

Der Doppeladler ist als Stickmuster und als Dekor auf Ofenkacheln auch in die sächsische Volkskunst eingegangen. Eine orientalische Sage erzählt, dass sich zwei große Vögel auf dem Weltenbaum gepaart hätten und ihre Jungen hatten zwei Köpfe. Der Doppeladler ist das Sinnbild der Allwissenheit und des Friedens.

Das Ornament der Taube wurde nicht nur gestickt, sondern auch gewebt, und lässt sich nach seinen charakteristischen Merkmalen in der Volkskunst leicht erkennen. Sie ist das Symbol der Zuneigung und der Werbung.

Greif auf einer Masche.

Der Greif. Vom Löwen den sehnigen, kraftstrotzenden Körper und vom Adler die mächtigen Schwingen, den scharfen Blick der Augen und die zupackenden Fänge: das war den Mesopotamiern ein fabelhaftes Doppelwesen mit sagenhaften Fähigkeiten. Und aus dem fernen Land zwischen Euphrat und Tigris kam sein uraltes Bildnis im Laufe der Jahrhunderte zu uns nach Europa.

Der Hirsch. Über kein anderes Tier wurde so viel gerätselt, geschrieben und gesungen, als über den Hirsch, den König des Waldes.

Das voll entwickelte Geweih des Hirsches ist keine Wehr gegen seine Feinde, dazu benützt er lieber seine Hufe, mit denen er kräftige Schläge austeilen kann. Nur im Herbst, in der Brunftzeit, ist er bei Stimme und grenzt sein Gebiet ab. Sonst ist er stumm. Der Hirsch ist ein Einzelgänger. Auch wenn er beim Rudel weilt und es droht Gefahr, macht er sich aus dem Staub und rennt erhobenen Hauptes, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, durch den Wald. Wenn der Hirsch in das Gehege des Försters eindringt und die Rinde an jungen Bäumchen abnagt, richtet er großen Schaden an.

Im Mittelalter wurden dem Hirsch menschliche Eigenschaften angedichtet: er sei edel, stolz und adlig. In der Antike galt sein Geweih als Symbol der Lichtstrahlen.

Auf orientalischen Teppichen und in der Stick- und Webkunst der sächsischen Bäuerinnen wurde seine Gestalt in verschiedenen Größen und Formen dargestellt, sogar von alten Ornamenten des Zeugdruckes wurde er in Zopfstich nach gestickt, wie in der Mustersammlung des verdienstvollen Volkskundlers Emil Sigerus zu sehen ist.

Gewebte Tischdecke aus Streitfort.

Der Löwe. Sehr gefreut habe ich mich, als mich die Bäuerin Katharina Tontsch aus Streitfort einlud, um mir ihre Hand- und Webearbeiten zu zeigen. Ihre Gemeinde im Repser Land war mir bekannt, weil es dort als Besonderheit einen Salzbrunnen gab, dessen Flüssigkeit die Bauern zur Haltbarmachung des Schweinespecks benützten.

Die Familie war nach Tartlau gezogen, weil hier bessere Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten waren. Am besten gefiel mir bei Frau Tontsch eine selbst gewebte Tischdecke, deren Dekoration abwechselnd mit 20 cm Abstand ein Stern- und ein Löwenmuster zeigte. Dem Löwen, dem König der Tiere, wurden noch im Mittelalter menschliche Eigenschaften angedichtet: er sei stark, wachsam und majestätisch.

Das Bild des Löwen wurde in Siebenbürgen nicht nur gewebt, sondern auch gestickt. In Neppendorf hat Katharina Rether das heraldische Ornament des Löwen mit der Krone auf dem Kopf, aufrecht gegen einen Doppeladler schreitend, auf einer Bettdecke als Randverzierung festgehalten. Was sich die Bäuerin bei der Auswahl dieser Ornamente gedacht und erhofft hat lässt sich heute nur noch vermuten.

Mangelndes Wissen führte in früheren Zeiten zu Fehleinschätzungen und falschen Einstellungen den Tieren gegenüber. Das beweisen die vorher angeführten Ornamente die in allen Zweigen der sächsischen Volkskunst vorkommen. So galt der Hirsch als edel und stolz, und dem Löwen wurden sogar Mut, Kühnheit, Tapferkeit, Heldenmut und Adel angedichtet. Durch die vielseitigen Möglichkeiten der Aufklärung (Schule, Fernsehen, Zoobesuch, Beobachtung der Tiere, usw.) bemüht sich der Mensch heute das Verhalten der Tiere richtig auszulegen um Vermenschlichungen zu vermeiden.

In der Nadelkunst nimmt die Darstellung der Pflanzen einen großen Raum ein. Die Bäuerin hatte Gelegenheit die vielen Blumenarten zu beobachten und nähte sie oft in verschiedenen Sticharten als einzelne Blüten, ganze Sträuße oder Girlanden auf das Gewebe.

Der Lebensbaum, als Sinnbild des Wachstums und der Fruchtbarkeit, wurde in verschiedenen Varianten dargestellt, z.B. als ein aus der Erde sprießender Zweig, oder als Dreispross, der als Blumenmotiv aus einem Herzen oder einer Vase wächst. Rote Nelken und Rosen waren das Symbol besonderer Zuneigung und Liebe, die Tulpe aber war das Sinnbild des Stolzes. Alle drei Blumen bildeten den Grundstock im Ornamentenrepertoire der Volkskunst vieler Völker.

Bekannt ist, dass in Siebenbürgen die Bauern, Sachsen wie Rumänen, den breiten Ledergürtel über das Hemd geschnallt trugen. Diese Schmuckstücke für Männer waren Erzeugnisse der angesehenen Kürschnerzünfte, und zeigten verschiedene Techniken der Verzierung, die nur von geübten und angelernten Händen, im Gebrauch von verschiedenen Werkzeugen, durchgeführt werden konnten.

Im Burzenland war der Gürtel zugleich Maßstab der Vermögensverhältnisse seines Trägers: je reicher er war, um so breiter und kostbarer verziert der Gürtel.

In manchen Gegenden Siebenbürgens, z.B. in Petersdorf, Stolzenburg, Botsch, Jaad und Rode, haben sich die schönsten verzierten Brustpelze erhalten, deren Blumendekoration oft nur von begabten Dorfmeistern dieses Gewerbes erfunden und gestickt wurden.

Die Herstellung eines Kirchenpelzes aus dem Nösnerland stellte schon durch den Schnitt besondere Anforderungen an den Meister, und musste wegen der üppigen Dekoration in verschiedenen Schmucktechniken von einem angelernten Vertreter der Kürschnerzunft ausgeführt werden.

Der letzte Männerpelz von Tartlau ist im Vergleich mit den Pelzen der Bistritzer Gegend nur wenig mit roten Lederapplikationen verziert, hat merkwürdigerweise nur eine Tasche und trägt am Hals als Kragendekor braunes Iltis- oder Marderfell.

Die Dekorationstechnik der Pelzkleidung nennt man Zirmstickerei.

Es war um die Jahrhundertwende, 19./20. Jahrhundert, die Spezialität einer Tartlauer Weberfamilie namens Georg Battes, rote und schwarze Zopfbänder oder Fransen aus Seide herzustellen, mit denen sich größere Mädchen schmückten. Diese Trachtenstücke hingen lang über den Rücken, wurden aber bei besonderen Gelegenheiten, wenn man sich zur Schau stellen wollte, über die Schultern nach vorne gezogen. Mit dem Überfluss ihrer Erzeugnisse belieferten sie auf dem Kronstädter Jahrmarkt auch die anderen Gemeinden des Burzenlandes, hielten aber die Art der Herstellung dieses Dekors über mehrere Generationen geheim.

Motiv: Die eifersüchtige Magd und der faule Knecht

In einer Handarbeitszeitung aus dem Jahre 1942, die mir zufällig in die Hände kam, ist eine Ausstellung mit sächsischen Stickereien, Trachtenpuppen und Keramik zu sehen. Das Bild einer gestickten Decke zeigt eine Frau mit weitem Glockenrock, einem Federbusch auf dem Kopf und einem Zweig in der Hand. Zu dieser Abbildung heißt es in der Beschreibung der Zeitschrift: „Die eifersüchtige Magd züchtigt den faulen Knecht, weil er den ganzen Tag mit den Katzen spielt.“

Die eifersüchtige Magd.

Die verdienstvolle Volkskundlerin Roswitha Capesius schreibt in ihrem Buch „Das siebenbürgisch-sächsische Bauernhaus“ auf Seite 160, dass solche Darstellungen der Frau auf Stollentruhen aus dem 16. Jahrhundert oft zu finden sind. Außer menschlichen Gestalten wurden auch Tiere, wie der Löwe oder das Pferd, meistens in einem Kreis eingeschrieben auf die Bohlen der Truhe geschnitzt oder gemalt. Ob diese Darstellungen auch eine magische Funktion hatten, konnte ich bis jetzt nicht ergründen.

Die eben geschilderten Malereien und Schnitzereien auf den Stollentruhen haben den Stickerinnen jener Zeit bei der Wahl ihrer Muster als Vorbild gedient, und ihre Erzeugnisse dieser Art gehören zu den ältesten Leinenstickereien Siebenbürgens.

Schon der Volkskundler Emil Sigerus fand Anfang des 20. Jahrhunderts in verschiedenen sächsischen Gemeinden gestickte Zierhandtücher mit dem geschilderten Ornament der Frau, so z.B. in Alzen und Michelsberg; dass auch dieses Ornament von Ort zu Ort kleine Abweichungen aufweist, ist in der Volkskunst ganz normal.

Diese besonderen Hartholztruhen, von denen auf dem Dachboden der Kirche aus Henndorf noch 150 Stück aufbewahrt werden, sind mit Kerbschnitzereien dekoriert und die Malereien wurden mit einer Farbe aus Ochsenblut und Kienruß ausgeführt. Die Stollentruhen, auch Satteltruhen genannt, haben einen festen schmiedeeisernen Verschluss und sicherten in den schweren Zeiten der Türkenkriege das Überleben vieler Bauernfamilien in der Hermannstädter, Schäßburger und Repser Gegend.

Die Getreidetruhen der rumänischen und ungarischen Meister waren mit ähnlichen Ornamenten verziert, und dass ich auf einem ungarischen Zierhandtuch in Kreuzstich genäht eine ähnlich dargestellte Frau mit einer Rute in der Hand fand, zeigt die gegenseitige Beeinflussung im Volkskunstschaffen der siebenbürgischen Völkerschaften.

Motiv: Der Ritter mit dem Falken

Eine beliebte Leinenstickerei der Siebenbürgerinnen ist das Muster vom Ritter mit dem Falken. Besonders im Burzenland zierte dieses so natürlich wiedergegebene Ornament Kissen und Wandbehänge der guten Stube.

In mehreren Städten Rumäniens (Bukarest, Jassy, Hermannstadt und Klausenburg) wurde im Herbst 1970 eine „Schau Rheinischer Volkskunst durch sieben Jahrhunderte“ geboten. Da konnte man ungefähr 600 Exponate der ältesten Zivilisationen Westeuropas an Hausrat und Schmuckgegenständen bewundern. Die meisten Stücke stammen aus dem Ort Kommern, wo 1958 ein Freilichtmuseum ins Leben gerufen worden ist.

Der Ritter mit dem Falken.

Unter den wenigen Stickereien des 18. und 19. Jahrhunderts fällt die oben erwähnte Handarbeit vom Ritter und dem Falken auf, wie ich sie auch in Tartlau bei Rosi Göbbel fand: Der Ritter tritt in mittelalterlicher Rüstung auf, so wie er auch in der Sammlung von Emil Sigerus dargestellt ist.

Der Falke gehört zu den Raubvögeln. Das Weibchen ist großer als das Männchen. Diese Vögel werden zur Beizjagd verwendet, doch verlangt das Abrichten besondere Kenntnisse. Beide Eltern brüten. Der Falke fängt Hasen, Tauben, und vertilgt auch Mäuse. Die starken Krallen braucht er zum Festhalten der Beute, und mit dem gebogenen, starken Schnabel zerreißt er sie.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Sachsen dieses Motiv aus der Urheimat mitbrachten, berichtet die verdiente Kulturhistorikerin Juliana Fabritius Dancu in der Zeitschrift „Volk und Kultur“ 1970. Das Motiv gelangte wahrscheinlich durch Übermittlung einer Vorlage aus dem Rheinischen nach Siebenbürgen und zeugt für die engen Beziehungen, die die Siebenbürger Sachsen zu ihrem Stammland bewahrten.

Das Parade- oder Prunkbett

Den Brauch, in der „guten Stube“ ein Parade- oder Prunkbett zu haben, hatten die Bäuerinnen noch im 19. Jahrhundert aus der Stadt übernommen. Seinen Platz hatte es schräg gegenüber der Stubentür, um den Eintretenden mit dem Fleiß und Wohlstand der Familie bekannt zu machen.

Prunkbett, ehemaliges Museum von H. Wilk, Tartlau.

Das Prunkbett wurde nie zum Schlafen benützt, trotzdem hatte es oft an der langen Seite eine ausziehbare Schublade, wo fertige Geweberollen aus Hanf und Flachs aufbewahrt wurden. Das Schaustück, meist mit floralen Mustern der Holzmalerei verziert, wurde nur bei Familien- und Kirchenfesten, wenn Gäste erwartet wurden, hoch aufgepolstert, um auch den nächsten Verwandten ihre Ansichten über das schöne Wohnen mitzuteilen.

Die Bettdecke des abgebildeten Paradebettes hat die Tartlauerin Anna Copony im Jahre 1908 mit schwarzer Schafwolle, so wie es im Burzenland üblich war, in Zopfstich gestickt. Das Schmuckstück des Bettes zeigt verschiedene Ornamente die schon Emil Sigerus gesammelt hat. Die großen sternförmig angeordneten Motive stammen aus Tartlau. Das umrandende Vogelmuster hat Heynrich Steyner aus Augsburg im Jahre 1530 veröffentlicht und wurde im Laufe der Zeit in die siebenbürgische Stickkunst übernommen. Woher Anna Copony die Vogelmotive auf Lebensbäumen in Vasen entnommen hat, kann man heute nicht mehr feststellen, denn es gab schon im 19. Jahrhundert gedruckte Vorlagen, die sich wohlhabende Bäuerinnen leisten konnten.

Das Paradebett wurde nicht in allen Gemeinden Siebenbürgens gleich aufgebaut. In Neppendorf bei Hermannstadt sah ich die kunstvoll bestickten Polster nur am Kopfende des Bettes hoch getürmt. In Tartlau, und sicher auch in andern Gemeinden des Burzenlandes, waren nur die sichtbaren Teile der Polster bestickt.

Von dem besonders schön mit Holzmalerei verzierten Bett meiner Bauernstube stammt das Kopfende aus Draas und das andere Ende, mit der Jahreszahl 1864, aus Katzendorf, eine Gegend, die durch besonders begabte Möbelmaler bekannt ist.

Waren die Familien- oder Kirchenfeste vorbei, wurden die kostbar bestickten Zierdecken durch pflegeleichtere Webereien ausgewechselt und in die Truhe versorgt.

Der "Kürschen"

Im Jahre 1875 hat Pfarrer Franz Sindel seine Amtstätigkeit in Tartlau angetreten. In seiner später geschriebenen Monographie über Tartlau beschreibt er u.a. die Festtracht der Mägde, Knechte und die der Erwachsenen.

Nicht nur in Tartlau, sondern im ganzen Burzenland waren damals schlechte Zeiten, so dass die Bauern nicht in der Lage waren ihren Kindern zu Ostern neue Konfirmationskleider zu kaufen.

"Kürschen", gezeichnet von H. Wilk.

Damals trugen die älteren Frauen im Winter den radförmig geschnittenen ärmellosen weißen “Kürschen“ (Kîrzsen) zum Kirchgang. Am Rande war dieser Umhang mit einem dunkeln Pelzstreifen, meistens vom Eichhorn, verbrämt. Kennzeichnend für dieses Trachtenstück ist der breite steif aufwärts stehende “Brettchenkragen”, der dem Gesicht zu mit rotem Samt ausgeschlagen, und am Rande mit einer Goldtresse versehen war.

Es ist schade, dass sich diese mittelalterliche Tracht nur in einigen wenigen Gegenden Siebenbürgens erhalten hat. In Deutschland kann man sie auf einem Bild von Albrecht Dürer bewundern, der in den Jahren 1471 – 1529 in Nürnberg gelebt hat.

Schnupftücher als Trachtenstücke

Das älteste datierte Trachtenstück aus Tartlau ist eine mit brauner Seide beidseitig gestickte Sonntagsschürze der Anna Junesch. Sie trägt die Jahreszahl 1724 und ist mit sieben kreisförmig angeordneten Tulpenornamenten verziert. Die feine Leinwand “Ponz” musste, um die Stichart vorschriftsmäßig zu verwirklichen, auf einen Rahmen gespannt werden. Diese Art der Stickerei wird im Ungarischen “urihimzis”, d.h. herrschaftliche Handarbeit, genannt. Die Schürze ist, der damaligen Mode entsprechend, sehr weit und lang.

Schnupftuch mit Erdbeerornamenten.

Es ist anzunehmen, dass auch die vier gleichgroßen quadratischen Tüchlein (63 x 63 cm) mit brauner Seide beidseitig bestickt, aus derselben Zeit stammen, und damals, wie in anderen Gegenden Siebenbürgens, Schneuz- oder Schnupftücher genannt wurden, ohne dass sie jemals für diesen Zweck Verwendung fanden. Zwei davon sind in “geschriebenen” Mustern, die anderen zwei nach “gezählten” Faden gearbeitet. Die erwachsenen Tartlauer Mädchen trugen sie damals als Trachtenstück zum Kirchgang in der linken Hand. In den vier Ecken sind sie mit floralen Ornamenten dekoriert, und der Rand ist mit einem schmalen Schlingstich umsäumt.

Im Mittelalter schätzte man die Heilkraft von Frucht und Blatt der Erdbeere, und nicht nur in Tartlau, sondern auch in Nordsiebenbürgen in der Gemeinde Botsch, sah ich auf einem bunt gestickten Frauenhäubchen aus dem 19. Jahrhundert solche Ornamente.

In jener Zeit gehörten in der Stadt zur sächsischen Bürgertracht der Frauen die kostbaren Spangengürtel, welche von den Goldschmiedemeistern erzeugt wurden. Nachahmungen dieser teuren Trachtenstücke haben sich bis heute in Tartlau erhalten; doch sind sie nicht so prunkvoll ausgestattet, und ihre “getürmten” Spangen sind nur aus beweglichen Messing- oder Bleirosetten zusammengestellt und tragen in der Spitze rote Glassteine. Auf der rechten Seite des Messingverschlusses befindet sich ein Ring durch den das Schnupftuch so durchgezogen wurde, dass gleich zwei Zipfel, einer höher als der andere, mit der Dekoration sichtbar wurden. So kam die beidseitige Stichart zu ihrem Recht.

Schnupftuch mit Blumenornamenten.

Der Volkskundler Ludwig Klaster aus Urwegen hat solche Tüchlein in mehreren Gemeinden Siebenbürgens gefunden, so z.B. in Großscheuern (datiert 1793), in Bistritz (1656), so wie in Klasdorf. Sie erfüllten denselben Zweck, waren aber mit allerlei Seide und Goldfäden verziert und hatten rundherum bunte Börteln, wie Klaster berichtet.

Als dann später das Burzenland, infolge seiner günstigen Lage, schneller zu Wohlstand kam, begann man hier von der alten Tracht stückweise abzulassen. Der Anbau von Kartoffeln und Zuckerrüben brachte Geld ins Haus, und man konnte seinen erwachsenen Kindern teuere, fertige Trachtenstücke kaufen: vergoldete Spangengürtel mit Edelsteinen, farbige “Seidenreiser” mit Fransen und maschinell erzeugte Tüllschürzen, welche die Kronstädter Kaufleute in großer Auswahl aus dem Ausland brachten.

Der Brauch, bei besonderen Anlässen ein verziertes Tüchlein in der Hand zu tragen, scheint eine orientalische Sitte gewesen zu sein, die sich seit dem 16. Jahrhundert in vielen, von Türken besetzten Ländern verbreitet hat. Im Brukenthalmuseum kann man heute noch auf Gemälden und Grabsteinen aus jener Zeit sächsische Persönlichkeiten, Frauen und Männer, mit dekorierten Tüchlein in der Hand sehen.

In der Hermannstädter Gegend, z.B. in Freck, tragen die rumänischen Frauen zu besonderen Festlichkeiten bis auf den heutigen Tag ein rot gewebtes Tüchlein mit Fransen als Dekoration in der Hand, was auch auf diesen orientalischen Einfluss zurückzuführen ist, wie schon die verdienstvolle Volkskundlerin Juliana Fabritius Dancu festgestellt hat.

Kacheln und ihre Muster

In Kellern, Scheunen, Schopfen (Schuppen) oder auf Aufböden haben sich Reste alter Kachelöfen erhalten. Vor hundert und mehr Jahren zierten und wärmten diese Öfen mit ihren gemusterten und glasierten Kacheln die Bauernstuben. Denn nicht nur die Bürger der Städte, sondern auch die Landbewohner hatten die Vorzüge dieses Heizkörpers erkannt und kauften die notwendigen Kacheln auf Wochen- oder Jahrmärkten. Die Tartlauer fanden die gesuchte Ware vor allem in Kronstadt. Doch ist im 16. Jahrhundert das Handwerk der Hafnerei auch in anderen Burzenländer Ortschaften, wie Heldsdorf, Marienburg, Tohan, Honigberg, Rotbach oder Zeiden, nachweisbar.

Die Kronstädter Töpferzunft bezog die zur Glasur notwendige Bleiglätte mit Pferdewagen gemeinsam aus Baia Mare. Gegen Zahlung konnte jeder Meister der Zunft auch den stark kaolinhaltigen Ton erhalten, mit dem vor dem ersten Brennen die Töpfe und Kacheln übergossen (engobiert) wurden. Dieser Ton wurde von Mitgliedern der Zunft vom Gelände des Schneckenberges abgetragen.

Kacheln nachgezeichnet von H. Wilk.

Die Kachelöfen wurden meist mit reliefartigen Ornamenten verziert, die mit Hilfe geschnitzter Pressformen serienmäßig gemacht werden konnten. Begabte Modellstecher richteten sich bei der Herstellung der Negativ-Pressformen nach den Wünschen der Kunden, behielten aber oft auch beliebte Muster älterer Zeit bei. In Tartlau habe ich grün glasierte Kacheln gefunden, die als Muster ein Tulpendekor unter einem Rundbogen zeigen, welches Muster schon auf unglasierten Kacheln des 15. Jahrhunderts anzutreffen ist. Für das Burzenland typisch waren Kachelmuster mit einer Vase, aus der stilisierte Tulpen und Rankenwerk wuchsen, rechts und links oft eingerahmt von je einer frei stehender Säule. Ein in der Stickerei oft vorkommendes, beliebtes Motiv mit dem doppelköpfigen Adler, dem Sinnbild von Allwissenheit und Frieden, fand ich in heraldischer Darstellung auf einer grün glasierten Kachel mit der Jahreszahl 1824 und den Initialen P. G.

Der Kachel- oder “Luther”- Ofen stand meist gegenüber der Fensterseite an der Wand in der Ecke auf einem gemauerten Unterbau. An der Vorderseite war der Ofen zum Teil offen, so dass die auf der “Katze” - einem eisernen Gestell – liegenden brennenden Holzscheite das Zimmer wärmten und beleuchteten. Ältere Leuten erzählten, wie sie am Abend beim Feuerschein des Ofens ihre Schulaufgaben erledigen mussten. Kerzen und Lampen erschienen dem Bauern als entbehrlicher Luxus.

Kacheln nachgezeichnet von H. Wilk.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der offene Herd des Kachelofens wegen Feuergefahr abgeschafft. Man verlängerte nach einer Seite den gemauerten Untersatz des Heizkörpers und setzte darauf einen Blechofen mit einer oder zwei Bratröhren. Das Ofenrohr wurde in den oberen Teil des Kachelofens geleitet. So entstand die “Kalefok”, die sich im Winter sehr gut beim Braten von Fleisch, Kartoffeln oder Äpfeln bewährte.

Erst die fabrikmäßig hergestellten gusseisernen Öfen, die auch Verzierungen aufweisen, verdrängten die “Kalefok“ und die glasierten Kachelöfen aus den Bauernstuben. Die neuen Öfen galten als dauerhafter und nobler. Heute lassen sich die alten, grün glasierten oder auch blau gemusterten Kacheln als dekoratives Fries, als Küchenschmuck oder als hübsche Verkleidung von modernen Heizkörpern verwenden.

Zierbuchstaben an Gebäuden und auf Textilien

Als Kind kam ich aus der Schule und sah die im Nachbargarten stehende Scheune, wo auf der von außen sichtbaren Giebelseite der Name des Besitzers mit schönen Zierbuchstaben geschrieben stand: Martin Thieskes, 1904. Die großen Schriftzeichen waren ungefähr einen Meter hoch und die Kleinen nur die Hälfte. Damals habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, wie und weshalb man sich die Mühe gemacht hat, die großen leeren Wände mit Buchstaben zu verzieren? Die Unbilden der Witterung haben inzwischen die schöne Beschriftung ausgelöscht.

Verzierte Schrift auf Scheunengiebel in Tartlau.

An zwei Scheunengiebeln der Gemeinde Tartlau, in der Kronergasse und in der Mühlgasse, sind solche Schriftzeichen zum Teil noch lesbar. Ich erfuhr von alten Maurermeistern wie diese Buchstaben, unter den damaligen Bedingungen, so kunstvoll auf die hohe Wand gezeichnet werden konnten, um mehrere Generationen zu überdauern.

Zwei Männer waren am Werk, wenn Lettern an der im Bau befindlichen Giebelwand eingraviert werden sollten. In einem hölzernen Gefäß hatten sie in Wasser roten, zu Staub geklopften Ziegelstein aufgelöst, wohin sie ein langes Seil eintauchten, um auf die frisch mit Mörtel beworfene Wand mit der aufgespannten Schnur die Höhe der Buchstaben zu bezeichnen. Dann wurden die typischen Grundformen der Schriftzeichen mit einem häkchenförmigen Werkzeug ausgekerbt. Die bäuerlichen Schreibkünstler benötigten für die weiteren Verzierungen noch einen großen hölzernen Zirkel, mit dessen Eisenspitzen man, besonders um die großen Anfangsbuchstaben, kreisförmige, größere und kleinere Linien ritzen konnte, was sich in dem noch nicht ausgetrockneten Bewurf leicht machen ließ.

Verzierte Schrift auf Scheunengiebel in Tartlau.

Um die Wand bis in die Spitze aufrichten zu können mussten noch weitere Gerüste aufgestellt werden, von wo aus auch der Mörtelbewurf bis in den Giebel der Scheune ausgeführt wurde. Bei gutem Wetter trocknete der Bewurf schnell und es konnte mit dem Weißeln der ganzen Wand begonnen werden.

Die Dachdecker verrichteten inzwischen ihre Arbeit mit Hilfe der Nachbarschaft und den Verwandten des Besitzers. Wenn die Wand auch auf der Namensseite geweißelt war, begann der Schreibkünstler, deren es oft mehrere im Ort gab, die eingekerbten Buchstaben und ihre Verzierungen mit schwarzer Farbe nachzuziehen. Rechtschreibefehler und ungenaue Verteilung der Schriftzeichen auf der großen Fläche kamen oft vor, denn es gab auch in dieser Kunst Anfänger.

Der Brauch, Bauten, Werkzeuge, Geräte, Hafnererzeugnisse u.a. mit Namen, Initialen, Jahreszahlen oder Sprüchen zu verzieren, war in ganz Siebenbürgen üblich. In Tartlau, Göllnergasse, auf Hausnummer 1005 stand an der Scheune folgender Spruch:

Wenn meine Hand im Grabe ruht
und ist schon längst verwesen,
so kannst du noch an dieser Wand
meine Handschrift lesen.

Im Jahre 1930 hat der damalige Seminarprofessor Robert Csallner auf Hausnummer 124 und 392 in Tartlau zwei ähnliche Sprüche gefunden und in seine Sammlung aufgenommen:

Der Neider hab' ich viel zu viel
der Tadler noch vielmehr.
Ein jeder gönn mir was er will
so geb' ihm Gott zehnmal so viel.

Gottes Augen heller sein
als der klare Sonnenschein
Gottes Augen alles sehn,
wo wir gehn, wo wir stehn.

Eine andere Art, Zierbuchstaben anzubringen, war ihre Verwendung bei der ornamentalen Gestaltung von Textilien.

Im Jahre 1881 war in Berlin, im Verlag Lipperheide, eine Sammlung von 100 Sinnsprüchen und 25 verschiedenen Alphabeten für Leinenstickerein erschienen. Solche Vorlagen mögen im Laufe der Zeit auch nach Siebenbürgen gekommen sein und manche Kronstädterin wird, um der Mode zu genügen, ihre Wäsche mit Monogrammen verziert, und ihre Wohnung mit bestickten Wandsprüchen dekoriert haben.

Zu besonderer Vollkommenheit brachten es in der Kennzeichnung ihrer Handarbeiten die Stickerinnen aus Nordsiebenbürgen und jene aus Urwegen. So ist auf einer Bettdecke der Katharina Frühm (1903) aus der Bistritzer Gegend zu lesen:

Wir haben hier kein dauernd Glück,
wir blühn nur einen Augenblick,
und fallen wie die Blumen ab.

Auf einer Bettdecke der Emmi Löw (1903) ist zu lesen:

Ermatte nie in deinen Pflichten,
Geduld und Mut kann viel verrichten.

Aus derselben Gemeinde stammt der Wandspruch (1905) mit folgenden Zeilen:

Sofia Glockner bin ich genannt,
Siebenbürgen ist mein Vaterland.

Die Urwegerinnen waren Meisterinnen im Verzieren ihrer Trachtenstücke mit besonders kunstvoll zusammengestellten “geschriebenen” Anfangsbuchstaben und Jahreszahlen, welche meistens zwischen bunten Blumensträußchen auf schwarzen Frauenbrustpelzen zu sehen waren. Ganze Namen und Jahreszahlen nähten sie ebenso kunstvoll nur auf Schürzen und Zierhandtücher.

Sprüche auf sächsischen Krügen

Auf meinen Streifzügen nach alten Stickmustern fiel mir bei Bekannten in Hermannstadt ein grün glasierter Weinkrug, mit der Jahreszahl 1852 und den Initialen M. B., auf. Der Krug soll aus Stolzenburg stammen und ist ein Gesellenstück, welches der Erzeuger seinem gutgesinnten Zunftmeister, mit zwei Sprüchen – links und rechts neben dem Entstehungsjahr, gewidmet hat.

In der damaligen Zeit war es für einen Töpfergesellen eine Leistung, Beschriftungen mit gotischen Buchstaben, in den noch ungebrannten Ton eines Gefäßes einzuritzen. Dort lautet es:

Ihr alter braver Mann
viel Gutes habt ihr mir getan,
wenn unser Gott uns Segen gibt,
sind wir beide auch beglückt.

O du edler Rebensaft,
du gibst meinem Leibe Kraft,
je mehr ich trink je mehr ich mag
desto größer ist die Plag.

Ein ähnlicher, weißer Weinkrug datiert 1865, wird im Brukenthalmuseum aufbewahrt. Die Druckbuchstaben des Spruches sind in Pinseltechnik mit kobaltblauer Farbe ausgeführt. Rechtschreibfehler und ungenaue Verteilung der Schriftzeichen auf der Fläche kamen oft vor, denn auch in dieser Kunst gab es Anfänger.

Bei Nachbarschaftsfesten oder anderen Anlässen, wo es meistens fröhlich zuging, benützte man solche Gefäße zum Ausschank der Getränke, in der Hauptsache wohl Wein, und hielt sich auch meistens an seine Beschriftung:

Eures Lebens sich zu freuen
schenkt Euch diesen Krug voll ein.
Trinkt ihn aus und stellt ihn nieder,
habt ihr Durst so füllt ihn wieder.

Die hier ausgeführten Betrachtungen sind nichts anderes, als der Ausdruck der siebenbürgisch sächsischen Volksseele, sind altertümliche Schätze, die ich auf diesem Wege, wenn vielleicht auch nur durch Zufall, einem größeren Kreis von Landsleuten und Interessierten bekannt machen will.


Quellen: Aufzeichnungen von Herta Wilk; Fotos: Archiv von Werner Schunn.

Autor: Werner Schunn

Erstellt: 23. Dezember 2009 - 20:37. Geändert: 21. Februar 2010 - 17:08.