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9. Tartlauer Nachbarschaft 1981-2006
Ein gut organisiertes und funktionierendes Nachbarschaftsleben war für uns Siebenbürger Sachsen schon immer ein Erfolgsfaktor in der Bewältigung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen. Durch die verstärkte Auswanderung der Tartlauer ab Mitte der 1970er Jahre, stellte sich jedoch die Frage der Gründung einer Organisation, die sich logischerweise an den erfolgreichen Strukturen und Prinzipien der aus dem Herkunftsland bekannten "Nachbarschaften" orientiert hat.
Gründung
Beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in der alten Reichsstadt Dinkelsbühl am Pfingstsonntag 1981, wurde die "9. Tartlauer Nachbarschaft" aus der Wiege gehoben. Angeregt von mehreren seit längerer Zeit in der Bundesrepublik lebenden Landsleuten, rief Michael Trein in einer mitreißenden Rede vor über 60 Anwesenden unter dem Motto "Tuerteln soal Tuerteln bleiwen" ("Tartlau soll Tartlau bleiben") zur Gründung einer Nachbarschaft außerhalb Siebenbürgens auf. Auf Vorschlag von Michael Trein sollte sie "9. Tartlauer Nachbarschaft" benannt werden, mit der Begründung, dass in Tartlau acht Nachbarschaften existierten.
Die neunte Nachbarschaft sollte der Zusammenschluss für alle Tartlauer werden, die außerhalb von Tartlau, verstreut in der ganzen Welt, eine neue Wahlheimat gefunden haben. Die Anwesenden wählten spontan einen Vorstand, bestehend aus Michael Trein (Crailsheim) als Nachbarvater (ein Amt, das er 25 Jahre inne hatte); Adelheid Junesch (Stuttgart) als Stellvertreterin des Nachbarvaters; Johann Bruss (Herrenberg) als Kassenwart und Werner Schunn (Böblingen) als Schriftführer.
Eine der ersten Amtshandlungen des neu gewählten Vorstandes war die Einberufung und Organisation des ersten Treffens für den 25. und 26. September 1982 in Crailsheim.
Treffen
Beim ersten Treffen fanden sich rund 140 Tartlauer ein. Die 9. Nachbarschaft setzte sich zum Ziel, noch vorhandene Werte und Traditionen des Jahrhunderte alten Nachbarschaftswesens zu fördern, zu bewahren und der neuen Umgebung bekannt zu machen. Dies wollte sie erreichen, indem man den Kontakt zu allen verstreut in Deutschland und der Welt lebenden Tartlauern pflegt und Treffen für möglichst viele Landsleute organisiert.
Die Idee wurde erfolgreich umgesetzt.
Die Treffen finden in zweijährlichem Rhythmus statt und erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. Als Veranstaltungsort wurden Städte ausgewählt, in denen zahlreiche Tartlauer wohnen, z.B. Dinkelsbühl, Böblingen, Crailsheim und in Schnelldorf bei Crailsheim.
Besonders festlich ging es beim 13. Treffen im Juni 2006 in Crailsheim-Ingersheim zu, wo über 400 Tartlauer das 25-jährige Jubiläum seit Gründung der 9. Nachbarschaft in Deutschland feierten. An der Bühnenfront war unser Motto "Der neuen Heimat dienen, die alte nicht vergessen" angebracht und seitlich hingen Tartlaus blaue Marktfahne und die rote Feuerwehrfahne. Am Rednerpult war der Spruch "Lass die Fremde zur Heimat werden, aber nie die Heimat zur Fremde" zu lesen.
Zahlreiche Helfer hatten eine informative Ausstellung zusammengetragen. Trachtenpuppen in Mädchen-, Frauen- und Jungentracht hatte Rosi Göbbel aus Crailsheim in unzähligen Stunden angefertigt. Die seinerzeit von Kurt Copony erstellte Tartlauer Kirchenburg in Miniatur wurde ebenso präsentiert wie Fotoalben mit Bildern von früheren Treffen und aktuellen Bildern aus Tartlau sowie Großaufnahmen und Presseberichte über Hilfstransporte nach Tartlau, den Friedhofeinsatz im Jahr 2000 u.a. Paul Salmen hatte eine Dokumentation über die Gründung der Nachbarschaft vor 25 Jahren (mit dem ersten Protokoll von 1981), über den aktuellen Stand der Ahnenforschung und Bilder aus dem Archiv der 9. Nachbarschaft zusammengetragen. Die Kirchenburg, die als Kulisse auf der Bühne diente, hatte Christian Brenndörfer angefertigt und der Tartlauer Nachbarschaft übergeben.
Heimatbote
Der Vorstand wurde schon in der Gründungsversammlung beauftragt, einen Heimatboten zur internen Verständigung mit den Mitgliedern herauszugeben. Die erste Folge des Tartlauer Wortes erschien zu Pfingsten 1982.
Durch Aufrufe im Heimatboten wird dafür gesorgt, Bewährtes aus Tartlau zu sammeln und aufzubewahren, um zum geeigneten Zeitpunkt ein Heimatbuch herausgeben zu können. Der Heimatbote enthält zudem Berichte über Ereignisse in Deutschland und Tartlau.
Die Nachbarschaft bemüht sich auch um die pünktliche Herausgabe des sehr beliebten "Burzenländer Heimatkalenders".
Hilfeleistungen
Schon bei ihrer Gründung hat sich die Nachbarschaft die Hilfe für Notleidende und Bedürftige in Tartlau auf die Fahne geschrieben. Um dieser humanitären Aufgabe gerecht zu werden, hat der Vorstand alle verfügbaren Möglichkeiten ausgeschöpft. So gelang es über das Deutsche Rote Kreuz und über das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen, die ersten dringend notwendigen Medikamente nach Rumänien zu schicken. Es folgten erste Lebensmittelpakete für bedürftige Tartlauer.
Hinzu kamen noch jährlich die Hilfspakete, die bis auf den heutigen Tag unseren Landsleuten in Tartlau jeweils zu Weihnachten zugute kommen. Mit Spendengeldern aus Österreich und dank der Mitarbeit unseres Landsmannes Zeimes konnten zwei Lastkraftwagen mit Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidungsstücken nach Tartlau verbracht werden.
Eine große Herausforderung der Nachbarschaft war die Anschaffung eines elektrischen Läutwerkes für die Kirche daheim. Aus Spenden der Mitglieder und mit Hilfe des Diakonischen Werks Baden-Württemberg konnten wir den Anschaffungspreis von 14.000 DM aufbringen. Am 20. Oktober 1983 wurde die Anlage von Stuttgart in Richtung Tartlau verfrachtet. In einem Dankesbrief schrieb der inzwischen verstorbene Pfarrer Hans Orendi: "Die größten Verdienste um die Beschaffung dieser Läutanlage hat allerdings die 9. Tartlauer Nachbarschaft, an der Spitze mit Nachbarvater Michael Trein, in der Bundesrepublik Deutschland. Ohne ihre großen Bemühungen und der Spendenbeiträge an das Diakonische Werk wäre diese Anschaffung nicht möglich gewesen." Das Läutwerk wird auch heute zum Kirchgang und anderen kirchlichen Anlässen eingesetzt.
Höhepunkt der Hilfen in unsere Heimatgemeinde war zweifelsohne die große Lebensmittelaktion vor Weihnachten 1988 im Wert von über 30.000 DM, die von Nachbarvater Trein persönlich durchgeführt wurde.
Kultur
In den 25 Jahren seit Gründung der 9. Nachbarschaft haben sich - bedingt durch die massive Aussiedlung der Tartlauer - auch das kulturelle und Gemeinschaftsleben nach Deutschland verlagert. Blaskapelle, gemischter Chor, Männersinggruppe und das Tanzorchester "Edelweiß" haben sich hier wiedergefunden und neu formiert. Auf allen Tartlauer Treffen treten die eigenen Formationen auf und tragen zur gewohnten, vertrauten Unterhaltung bei.
Traditionsgemäß kann man auch beim Umzug des siebenbürgischen Heimattages in Dinkelsbühl neben der Tartlauer Trachtengruppe auch die Blaskapelle sehen.
Kontakt zur alten Heimat
Ein besonderes Augenmerk gilt der Friedhofspflege in Tartlau, wofür ein Sonderkonto eingerichtet wurde. Der heruntergekommene Friedhof in Tartlau wurde im Jahr 2000 durch eine Initiative der 9. Nachbarschaft wieder in geordnete Bahnen gebracht. Mit Unkraut überwucherte Gräber wurden gereinigt und aufgelassene Gräber eingeebnet. Der Kirchengemeinde wurden Gartengeräte, Wasserschläuche und ein Rasenmäher übergeben. Eine ständige Pflegerin für den Friedhof wurde mit Unterstützung der 9. Nachbarschaft eingestellt. Die Nachbarschaft half auch bei der Renovierung des Pfarrhauses finanziell mit.
Mit unseren in Tartlau lebenden Landsleuten stehen wir in engem Kontakt. Die Verbundenheit zur Heimat, zu Tartlau, zur Dorfstraße oder dem Friedhof der Ahnen fand ihren Ausdruck auch in der Hilfsbereitschaft für die Dortgebliebenen, die man nach Kräften unterstützte, so gut es eben die Diktatur zuließ.
Die Beziehungen erhielten nach dem Umsturz Ende 1989 neue Impulse. Es kam zu einer effizienten Zusammenarbeit mit der Heimatkirche in Tartlau und weniger mit der politischen Gemeinde. Letztere öffnet sich jedoch immer mehr für uns, was sicherlich in beiderseitigem Interesse ist.
Quellen:
Rückblick auf 25 Jahre "9.Tartlauer Nachbarschaft in Deutschland", Michael Trein in "Siebenbürgische Zeitung", 31.07.2006;
20 Jahre „9. Tartlauer Nachbarschaft", Michael Trein in "Siebenbürgische Zeitung", 20.12.2001.
Erstellt: 13. Februar 2012 - 17:14. Geändert: 13. Februar 2012 - 17:46.
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