+++ Chronik Tartlau ist versandbereit +++
Familienreise in die alte Heimat
Vorbereitung
Wenn sich Tartlauer in Deutschland treffen, dann kommt früher oder später immer auch die Frage auf, wann man zum letzten Mal in der alten Heimat Rumänien war oder wann man denn gedenkt, wieder dahin zu fahren.
Diese Frage wurde in meinem Bekanntenkreis seit etwa Anfang 2006 immer wieder und immer konkreter diskutiert. Es reifte die Idee, als Gruppe nach Tartlau zu fahren und die altbekannten Stätten gemeinsam aufzusuchen.
Bei einer Expedition dieser Art gibt es immer „Initiatoren“, „Skeptiker“ und „Bereitwillige“. Die „Initiatoren“ waren in diesem Fall Heidrun Batschi und Werner Bruss, die es aus diversen Gründen bisher noch nicht geschafft hatten, nach der Auswanderung die Heimatgemeinde wieder zu besuchen oder diese der Familie zeigen wollten. Die „Skeptiker“ wurden auch schnell ins „Boot“ geholt, nicht zuletzt auch mit dem Argument, so nebenbei auch die in neuem Glanz erstrahlte europäische Kulturhauptstadt Hermannstadt zu besuchen.
Nachdem Vorfreude bekanntlich die schönste Freude ist, haben wir diese Reise in drei Treffen sehr gründlich vorbereitet, uns dabei gut eingestimmt und schon in dieser Phase zahlreiche Erinnerungen aufgefrischt. Und dies sind die Expeditionsmitglieder: Familie Batschi (Heidrun und Kurt), Familie Bruss (Heidi, Dennis und Werner), Familie Kirres (Wilhelmine und Volkmar) und Familie Tontsch (Diethild und Georg).
In der Vorbereitungsphase war Familie Tontsch sehr aktiv und konnte – schon wegen der früheren, häufigen Fahrten nach Rumänien – mit vielen Informationen und auch Kartenmaterial behilflich sein.
Fahrt nach Hermannstadt
Unternimmt man eine Reise von Deutschland nach Rumänien mit dem Auto, sollte man idealerweise auch nach dem EU-Beitritt Rumäniens eine Übernachtung in Ungarn in Anspruch nehmen. So haben sich dann nach und nach am Spätnachmittag des 27. Mai 2007 die Expeditionsmitglieder im Hotel Apollo in Kecskemet eingefunden.
Nach der anstrengenden Fahrt müssen wir uns natürlich stärken. Nach einem kleinen Stadtbummel durch das gepflegte Zentrum tun wir das dann auch bei diversen Gänsegerichten. Gesprächsthema Nr. 1 ist natürlich unsere Weiterfahrt nach Rumänien und Vermutungen, was denn auf uns zukommen wird. Sicher werden nicht alle Gedanken ausgesprochen. Ich meine, dass jeder etwas mit sich selbst beschäftigt ist.
Die Passierung einer Grenze zu Rumänien ist unvergleichlich einfacher als noch vor 6 Jahren. Ein deutsches Kennzeichen und ein deutscher Pass tragen dazu bei, dass man im Handumdrehen „drüben“ ist.
Die Ernüchterung folgt freilich sehr schnell, spätestens wenn man von einzelnen oder Scharen von Zigeunern umzingelt wird, die einen günstigen Tauschkurs beim Geldwechsel oder andere Dienstbarkeiten anbieten, auf die man eher verzichten möchte. Das ist kein guter erster Eindruck, der einem Besucher vermittelt wird!
Wie klein die Welt ist, bekomme ich vor Augen geführt als ich in der Tankstelle einen Rumänen meines Jahrgangs aus Tartlau antreffe, der als Fernfahrer tätig ist. Man erkennt sich fast auf Anhieb, man spricht miteinander und schon ist man wieder fast wie zu Hause.
Die Fahrt nach Hermannstadt wird erwartungsgemäß mehr als abwechslungsreich. Mal kommt man richtig gut voran, mal wird man durch lange Wartezeiten an den zahlreichen Bahnübergängen im Zeitplan wieder zurückgeworfen. Unternimmt man nach längerer Wartezeit oder Fahren in einer Kolonne ein Überholmanöver, so ist man gut beraten kein Risiko einzugehen. Auf den rumänischen Straßen sind die Fahrer nach wie vor nicht gerade zuvorkommend und Lasterfahrer nehmen schon mal gar keine Rücksicht.
Inzwischen haben wir die anderen längst aus den Augen verloren. Wir hatten verabredet, Schloss Hunedoara zu besuchen, falls wir um 14 Uhr in Deva ankommen. Das hat nicht ganz geklappt, trotzdem fahren Wilhelmine und ich Richtung Hunedoara und wir verpassen die Eintrittszeit nur knapp (am Montag ist bereits um 15 Uhr Schluss!). Glücklicherweise können wir dann doch noch mit einer (auch verspäteten) Schülergruppe in das Schloss schlüpfen und schießen ein paar Fotos. Diethild und Getz Tontsch finden sich kurze Zeit darauf auch ein und wir freuen uns, zumindest teilweise wieder beisammen zu sein.
Das Schloss Hunedoara gehört einfach zu den Sehenswürdigkeiten Transsilvaniens. Leider gibt es hier auch ein schockierendes Kontrastprogramm: eine Stadt in erbärmlichen Zustand und Industrieruinen soweit das Auge reicht vor den Toren Hunedoaras. Gibt es hier keine fähigen Menschen, die das ändern können?
Schloss Hunedoara ist nicht der einzige Höhepunkt des Tages, wir wollen auch die Kirchenburg Kelling auf dem Weg nach Hermannstadt besuchen. Mein persönliches Motto lautet, möglichst viele der UNESCO-Weltkulturdenkmäler in Rumänien zu besuchen. Und davon gibt es dort einige und das sind nicht nur die Kirchenburgen! Kelling ist eines davon.
In Kelling sind wir dann wie durch ein Wunder wieder alle beisammen. Vor der Burg werden wir mal wieder von bettelnden Zigeunerkindern umschwirrt. Wir versuchen diese leider sich wiederholende Begegnung auszublenden und betreten die Burg. Die Burg befindet sich in gutem Zustand.
Dass ein Kulturdenkmal in die Liste UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wird, bedeutet noch lange nicht, dass dann automatisch Gelder für die Renovierung fließen. Tatsache ist jedoch, dass dadurch der Bekanntheitsgrad steigt und die Chancen, Geldgeber zu finden, damit steigen. Dies ist hier offensichtlich auch der Fall gewesen.
Vom rumänischen Administrator erfahren wir, dass noch ein alter Sachse in der Gemeinde lebt. Ferner erzählt er, dass inzwischen die umliegenden Weinberge allesamt heruntergewirtschaftet wurden und brach liegen. Das Wissen um die Pflege der Weinberge ist mit dem Weggang der Sachsen einfach verlorengegangen. Etwas bitter fügt er noch hinzu: „Die Sachsen sind gegangen und die Zigeuner sind gekommen.“
Das nächste Ziel kann jetzt nur noch unsere Unterkunft, die Villa Mary-Luisa in Salzburg (Ocna Sibiului), sein. Von Kelling geht die Fahrt weiter über Reußmarkt, Großpold und Kleinscheuern. Noch vor Einbruch der Dunkelheit treffen wir in der schmucken Villa in Salzburg (rum. Ocna Sibiului) ein. Allen sieht man die Erleichterung an, diesen ereignisreichen, aber auch anstrengenden Tag gut überstanden zu haben. Gleich an unserem ersten Abend in Rumänien lernen wir dann auch das kühle Ursus-Bier kennen und wir lassen den Tag im Hofe der Villa gemütlich ausklingen.
Hermannstadt und Umgebung
Der nächste Höhepunkt der Reise ist natürlich die diesjährige Weltkulturhauptstadt Hermannstadt (rum. Sibiu). Leider gab es während unseres Aufenthalts hier keine nennenswerten kulturellen Veranstaltungen, an denen wir hätten teilnehmen können. Dies hat uns aber nicht daran gehindert uns selber ein Bild über Hermannstadt und Umgebung zu machen.
An dieser Stelle, kommt nun Heidrun Batschi zu Wort, die hier das Pädagogische Lyzeum besucht hat und somit sicher eine besondere Beziehung zu dieser Stadt entwickelt hat:
„Die Altstadt von Hermannstadt bot ein harmonisches Bild mit der Kirche und den Türmen, den schön renovierten alten Gebäuden, auf dem Großen und Kleinen Ring und der Heltauer Straße (Fußgängerzone). Beeindruckt hat mich das Brukenthal-Museum. Obwohl ich es in meiner Jugend gesehen hatte, war mir nicht bewusst, wie groß und wertvoll hier die Bilder- und Kunstsammlung ist. Die orthodoxe Kirche habe ich auch zum ersten Mal von innen gesehen. Vielleicht fehlte mir früher das Interesse diese Kulturstätten anzusehen.
In ziemlichem Kontrast stehen dazu die Straßen, die aus der Altstadt herausführen mit hässlichen, renovierungsbedürftigen Fassaden (übrigens auch in anderen Städten zu beobachten). Auffallend auch viele alte Frauen, die auf Almosen angewiesen sind.
Den Zibinmarkt mit seiner farbenfrohen Vielfalt an frischen Waren habe ich während meiner Lehrjahre in Hermannstadt so leider nie gesehen. Die Jahre waren damals magerer.
Das „Päda“ (Pädagogisches Lyzeum) hat bei mir einen eher tristen Eindruck hinterlassen mit seinen grauen Innenhöfen und den verwitterten Fensterrahmen und Türen der Klassenzimmer, die zur späten Nachmittagsstunde verschlossen waren. Das Kaufhaus „Dumbrava“, einst modern und attraktiv, vermittelt jetzt die Atmosphäre eines Basars.
Als willkommene Abwechslung zu den Besichtigungen der Gemäuer in und um Hermannstadt empfand ich den kleinen Ausflug in die Natur auf die Hohe Rinne mit anschließender Einkehr im „Apfelhaus“ in Michelsberg. Ein Geheimtipp, wenn man auch viel Wartezeit mitbringen muss.
Noch ein Wort zu unsere Unterkunft in Salzburg. Die Villa Mary-Luisa hat eigene Atmosphäre und der Wirt und Koch sind durchaus bestrebt, dass sich die Gäste dort wohl fühlen. Ich habe es sehr genossen mal wieder in einem richtigen Innenhof unter dem Baum und an einem einfachen Holztisch in Gesellschaft Mici und Käse zu essen und ein Bier zu trinken.
Die natürlichen Salzseen in Salzburg allerdings wirken vergammelt; dennoch hat das Baden in dem sehr warmen und salzhaltigen Wasser Spaß gemacht.“
Unser jüngster Teilnehmer, Dennis Bruss, kann an den Salzseen seine Mineraliensammlung um ein paar mühsam erbeutete Salzsteine erweitern. Dazu war dann auch etwas Klettergeschick erforderlich.
Um das Bild über die Hermannstädter Gegend abzurunden, besuchen wir noch die Burg und Kirche von Michelsberg, wie auch die Kirchenburg von Heltau. Auf der Fahrt kommen wir an vernachlässigten Obstplantagen vorbei: meterhohes Gras und wild wuchernde Bäume zeugen davon, dass es kein Interesse gibt und offensichtlich auch nicht lohnenswert ist, hier in Rumänien Landwirtschaft zu betreiben.
Am Spätnachmittag besuchen wir die Kirchenburg in Heltau. Diese ist zwar offiziell geschlossen, jedoch mit Hilfe einer kleine „Spende“ überzeugen wir die Burghüterin uns einzulassen. Entlang der Ringmauer gibt es eine Fotoausstellung zu bewundern. In der Kirche hat man Altäre aus mehreren umliegenden Gemeinden versammelt – ein verzweifelter Versuch gegen den Verfall solcher Kunstwerke aus den abgelegenen Gemeinden anzukämpfen.
In dieser stattlichen Gemeinde hatten früher knapp 4000 Sachsen gelebt, heute sind es immerhin noch 400. Wir haben noch kurz die Gelegenheit den Pfarrer, einen ehemaligen Kollegen von Diethild Tontsch, zu sprechen. Er berichtet über aktuelle Aktivitäten und die Schwierigkeiten, eine stetig schrumpfende Gemeinde beisammen zu halten.
Fahrt ins Burzenland
Am Donnerstag, 31. Mai, verlassen wir Salzburg bei Hermannstadt. Die ursprünglichen Pläne auf der Fahrt nach Kronstadt (rum. Braşov) zumindest einen Teil der „Transfăgărăşan“-Trasse (quer durch das Fogarascher Gebirge) zu fahren geben wir auf. Das Wetter ist nicht besonders freundlich, es steht nicht fest, ob die Trasse überhaupt offen ist und auf der Strecke zwischen Hermannstadt und Kronstadt reiht sich eine Baustelle an die andere. Somit fahren wir über Mediasch und Schäßburg, mit dem Ziel abends in Rosenau zu sein.
Die Fahrt geht durch die harmonische Hügellandschaft des Kokellandes. Die paar Regenschauer unterwegs verderben uns nicht die gute Laune und wir sind bereit für das nächste UNESCO-Weltkulturerbe: das Stadtzentrum von Schäßburg (rum. Sighişoara).
Treffpunkt in Schäßburg ist der weithin sichtbare und dominierende „Stundturm“. In der Gruppe pilgern wir vorbei an dem „Haus mit Hirschgeweih“, dann die Treppen hoch zum Haltrich-Lyzeum und der Bergkirche. Entlang der Wehrmauern geht es dann zurück zum Hauptplatz.
Wilhelmine und ich lassen es sich nicht nehmen noch den Stundturm zu erklimmen. So auch Dennis Bruss, der obwohl nicht in Rumänien geboren, als Jugendlicher erstaunlich viel Interesse zeigt, dieses für ihn neue Land zu erkunden und zu begreifen. Und das spricht auch dafür, dass dieses Land eine Menge zu bieten hat! Zusammen schauen wir uns die kleine Hermann-Oberth-Ausstellung im Stundturm an. Der Blick vom Turm entschädigt uns allemal für die Mühe ihn zu besteigen.
Trotz der vielen Baustellen im Zentrum von Schäßburg hinterbleibt ein angenehmer Eindruck von dieser Stadt mit mittelalterlichem, einigermaßen westeuropäischem Flair.
Zum Schluss kommen wir noch am Hermann-Oberth-Haus vorbei. Was Samuel von Brukenthal oder Johannes Honterus im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich waren, das war Hermann Oberth im technischen Bereich mit seinen bahnbrechenden Forschungen und Experimenten für die Raumfahrt: eine erstrangige Persönlichkeit, die zu den ganz Großen der Siebenbürger Sachsen gehört.
Nach einem kleinen Imbiss treten wir die Weiterfahrt Richtung Kronstadt an. Durch den Geisterwald und vorbei an Reps, Nußbach, Rothbach kommen wir endlich auch in Kronstadt an. Die ersten sehr erfreulichen äußeren Eindrücke nehmen wir schon im Bartholomä-Viertel auf. Perfekte Straßen, moderne Supermärkte (z.B. ein Real-Markt, wie wir in Böblingen zumindest von den Dimensionen her nicht haben!) und insgesamt ein gepflegter Eindruck.
Noch vor Jahren hätte ich nicht gedacht, dass wir jemals in Rosenau (rum. Râşnov) übernachten werden. Das Saxonia-Hotel, das wir schon aus Deutschland gebucht hatten, erwies sich dann auch als sehr gepflegtes Haus, mit freundlichem Personal und gutem Frühstück. Die nächsten 4 Nächte haben wir uns dann hier aufgehalten und Tagestouren unternommen.
Endlich in Tartlau
Keiner von uns hätte davon abgebracht werden können, gleich am nächsten Tag nach Tartlau (rum. Prejmer) zu fahren.
Auf halber Strecke zwischen Honigberg und Tartlau entsteht mitten auf dem Acker ein moderner Industriepark, der zukünftig wohl größte Arbeitgeber in Tartlau. Hier baut eine große spanische Firma (Graells&Llonch) ein Gewerbegebiet nach westeuropäischem Muster.
Am späten Vormittag treffen wir in Tartlau ein. Die Kirchenburg ist natürlich unser erstes Ziel. Obwohl sicher schon auf etlichen Fotos verewigt, kann keiner es unterlassen in regelmäßigen Abständen auf den Auslöser zu drücken, um das vielleicht noch nicht erfasste Detail in einem Foto festzuhalten.
In der Burg treffen wir zunächst auf die Burgführerin, Christine Balog, die gerade eine amerikanische Gruppe in erstaunlich gutem Englisch führt. Anschließend treffen wir auch Pfarrer Pal und übergeben, so wie mit Nachbarvater Hermann Junesch abgesprochen, die Pfingstausgabe des „Tartlauer Wort(s)“ für die noch in Tartlau verbliebenen Leser.
Pfarrer Pal erzählt u.a. von einer deutschen Kindergartengruppe in Tartlau, deren Erzieherin aber nicht Deutsch spricht ?!? Sein Sohn hat das Meiste verlernt und er wird ihn ab nächstem Jahr nach Kronstadt zum Unterricht fahren. Es gibt einige lobenswerte Initiativen um Deutschunterricht in mehreren Ortschaften zu organisieren. Man kann für die Hinterbliebenen nur hoffen, das diese Initiativen auch zu einem Ergebnis führen.
Die ersten Eindrücke nach langer Zeit der Abwesenheit beschreibt Heidrun Batschi so: „In der Kirchenburg fühlt man sich zurückversetzt in die alte Zeit. Hier ist alles vertraut. Die Innenhöfe und Gehwege sind gepflegt. Die Aussicht vom Turm ist auf den ersten Blick dieselbe wie vor Jahren. Bei näherem Hingucken hat sich jedoch auch Fremdes eingeschlichen wie z. B. diese rumänische Kirche gleich nebenan, die sich überhaupt nicht ins Gesamtbild einfügt.“
Dass der Zustand der Kirchenburg so ist, muss man sicherlich der Tatsache verdanken, dass die Tartlauer Kirchenburg auch UNESCO-Weltkulturerbe ist und darüber hinaus durch die Patenschaft der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung immer wieder über Mittel zur Renovierung verfügte.
Wir besteigen den Turm, machen einen Rundgang über die Ringmauer und besuchen das Museum. Nach Abgabe einer Spende, ist dann „der Platz“ (das Zentrum) unser nächstes Ziel. Das Zentrum macht wegen der ungepflegten Fassaden und Straßenränder einen schlechten Eindruck. Der einzige Lichtblick – der renovierte Hochzeitssaal – ist einfach zu wenig für eine stattliche Gemeinde wie Tartlau. Die Einkaufsmöglichkeiten muten noch deutlich bescheidener an als vor unserer Auswanderung. Es lässt sich einfach kein Gesamtkonzept erkennen.
Danach trennen sich unsere Wege zunächst mal. Jeder plant noch Bekannte aufzusuchen oder das eigene Elternhaus (oder auch nicht). Natürlich hat man wieder ein paar kleine Gaben mitgebracht um Nachbarn oder zurückgebliebenen Bekannten eine kleine Freude zu machen.
Der Besuch des eigenen Elternhauses kann zu einem schockierenden Erlebnis werden. Wenn man einem solchen Erlebnis etwas Positives abgewinnen will, dann die Tatsache, dass man eventuell noch nicht überwundenes Heimweh nun eher vergessen wird.
Auch für einen Kurzbesuch auf dem Friedhof nehmen wir uns Zeit. Er macht einen insgesamt gepflegten Eindruck. Auch wenn nicht auf allen Gräbern und Gruften wie in früheren Zeiten frische Blumen zu finden sind, scheint hier nun doch eine akzeptable Lösung gefunden zu sein.
In Kronstadt und Umgebung
Den nächsten Tag widmen wir voll und ganz Kronstadt (rum. Braşov). Die meisten von uns verbindet mit dieser Stadt der Besuch eines Lyzeums oder der Hochschule. Es sind überwiegend positive Erinnerungen und dementsprechend hoch ist dann auch die Erwartung.
Unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht. Die dominierende Meinung ist die, dass Kronstadt auf dem besten Weg ist, den Wandel hin zu einer modernen europäischen Stadt zu schaffen.
Nachdem wir die Herausforderung, in den Besitz eines gültigen Parkscheins zu kommen, gemeistert haben, kann es losgehen. Start ist das immer noch von den Einschüssen der „Revolution“ gezeichnete „Modarom“.
In der Purzengasse sind (wie auch auf der Heltauer Strasse in Hermannstadt) zahlreiche Straßencafes entstanden. Bei gutem Wetter ist dies eine durchaus begrüßenswerte Erscheinung. Wir schlendern weiter über den Marktplatz zur Schwarzen Kirche und dem Honterus-Lyzeum. Natürlich lassen wir „Honterianer“ (Absolventen des Honterus-Lyzeums) es uns nicht nehmen, uns auf einem Gruppenfoto verewigen zu lassen.
Der Überraschungsmoment folgt dann in Form eines Platzkonzerts um 12 Uhr beim Katharinentor, wo wir als Dirigenten Ernst Fleps wiedererkennen. Mit seinen 82 Jahren scheint er immer noch Spaß an der Blasmusik zu haben und schwingt souverän und mit Leichtigkeit seinen Dirigentenstab. In einer Pause wechseln wir ein paar Worte mit ihm und ziehen dann weiter.
Auf Anregung von Werner Bruss, der sich auch an der Renovierung dieser Kirche beteiligt hat, besuchen wir als nächstes die orthodoxe Kirche im „Schei“-Viertel. Für viele von uns ist es der erste Besuch hier. Wir sind inzwischen weltoffener geworden und schätzen jegliche Art von Kultur. Sehenswert ist die Kirche allemal.
Den Abend beschließen wir in der Schulerau in der urigen „Coliba Haiducilor“. Essen und Trinken sind traditionell exzellent und auch die bekannte, fast schon vermisste rumänische Volksmusik, begleitet den gelungenen Abend.
Nachdem am Sonntag, dem 3. Juni, in Tartlau kein Gottesdienst stattfindet, besuchen wir den Gottesdienst in der Schwarzen Kirche von Kronstadt. Es predigt Pfarrer Christian Plajer, an der Orgel spielt wie immer virtuos Eckardt Schlandt. Es ist für mich und auch teilweise für die anderen der erste Gottesdienst in dieser größten gotischen Hallenkirche östlich von Wien und gleichzeitig ein erhebendes Gefühl. Die Art und Weise, wie ein Gottesdienst in Siebenbürgen zelebriert wird, ist für uns einfach einmalig und leider auch ein Stück verlorengegangener Heimat.
Wieder zurück im mondänen Leben stürzen wir uns dann in diverse Geschäfte, um noch einiges einzukaufen. Das ist inzwischen in Kronstadt auch am Sonntag kein Problem. Das Angebot ist vielfältig und auf hohem Niveau, die Preise leider auch.
Den Rest des Sonntags nutzen wir um einige Kirchenburgen der Umgebung zu fotografieren (mein neues Hobby?). So fahren wir dann über Marienburg, Brenndorf, Honigberg und nochmal nach Tartlau. Wir fahren durch die Strassen von Tartlau, fotografieren und das war’s dann in Tartlau für 2007.
Auf dem Heimweg machen wir noch einen Abstecher zur Kirchenburg von Neustadt. Es ist die einzige Kirchenburg die noch von einem sächsischen Paar in fortgeschrittenem Alter besorgt wird.
Die Zeit läuft uns davon! Gerne möchte man länger in dieser Gegend bleiben, aber diesmal haben wir auch noch eine kleine Rundfahrt durch Transsilvanien vor.
Rundfahrt durch Siebenbürgen
Nach 8 gemeinsamen Tagen gehen wir nun getrennte Wege. Es gab wirklich keinen Krach, wir haben uns hervorragend verstanden! Jede Familie möchte nun für sich in der noch verbliebenen Woche noch andere Landstriche Rumäniens erkunden oder die verbliebenen Urlaubstage genießen.
Wir haben die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes in Rumänien noch nicht abgearbeitet. Familie Batschi und Kirres bleiben dran und fahren Richtung Klausenburg, um auf dieser Strecke die Kirchenburgen von Keisd (rum. Saschiz) und Birthälm (rum. Biertan) zu besuchen.
In der Startphase machen wir aber noch Zwischenstopps in Heldsdorf und in Rothbach. Hier entstehen dann natürlich auch die obligatorischen Kirchenburgfotos.
Wegen schlechter Wegverhältnisse verzichten wir auf den Besuch in Deutsch-Weißkirch. In Keisd wiederum haben wir dann etwas Pech, weil die Kirchenburg gerade renoviert wird und nicht besichtigt werden darf. Das Dach der imposanten Kirche ist stark beschädigt und wirklich renovierungsbedürftig. Wir begnügen uns mit ein paar Fotos und nehmen als positive Tatsache mit, dass hier ein wertvolles Kulturgut gerettet wird.
Sehr beeindruckend ist auch die Kirchenburg von Birthälm. Nicht zuletzt durch die terrassenartige Anlage auf einem Hügel, die imposante Architektur und durch das fast idyllisch anmutende Umland.
Nach soviel Kultur in Form von Kirchenburgen wartet nun wieder eine längere Strecke Weges auf uns. Wir versuchen so weit wie möglich in die Nähe der „Cheile Turzii“ (Turda-Klamm) zu kommen. Auf teilweise guten, manchmal doppelspurigen Europastraßen kommt man gut voran. Bleibt noch die Frage des Quartiers zu klären. Wir fragen uns durch und finden auch recht schnelle eine akzeptable Bleibe.
Dies ist dann auch eine weitere positive Erfahrung unserer Reise durch Rumänien. Auch in kleinen, abgelegenen Ortschaften findet man fast immer saubere, preisgünstige Pensionen zum Übernachten und für das leibliche Wohl ist auch gesorgt.
Der nächste Vormittag ist für eine kleine Wandertour durch die Turda-Klamm eingeplant. Bei bestem Wetter wandern wir durch die Klamm und genießen die Ruhe und Schönheit der Natur. Obwohl die Klamm sich auf nur 500 Meter Höhe befindet, erheben sich hier Felswände von über 200 Meter Höhe.
Am Nachmittag stürzen wir uns dann in das Großstadtgetümmel: Klausenburg (rum. Cluj) ist unser nächstes Ziel. Es wird an allen Ecken und Enden gebaut, eben eine Stadt im Umbruch. Hier trennen wir uns nun auch von Familie Batschi, die weiterfahren möchten, und besichtigen einen Teil der Stadt. Beim nächsten Mal müssen wir etwas mehr Zeit mitbringen, vielleicht sind dann auch die Baustellen etwas weniger geworden. Die Pläne hier zu übernachten, werfen wir aus Kostengründen über Bord und fahren weiter.
Klöster und Maramuresch
Der letzte Teil unserer Reise ist den rumänischen Klöstern und der Maramuresch gewidmet.
Auf dieser Strecke liegt auch Bistritz (rum. Bistriţa), früher auch eine von Sachsen besiedelte Stadt. Natürlich lassen wir uns die Gelegenheit nicht entgehen, diese Stadt zu besuchen. Schon die Einfahrt erweckt einen sehr guten Eindruck: gute Straßen, gepflegte Häuser und Geschäfte an der Straße entlang. Dieser Eindruck bestätigt sich während unseres kurzen Stadtbummels.
Unterhalb von ehemaligen sächsischen Geschäftshäusern gibt es den bekannten Arkadengang. Die evangelische Kirche ist leider noch geschlossen, so dass wir uns der schönen Fußgängerzone zuwenden. Hier werden dann auch noch einige Einkäufe getätigt. Schon jetzt steht fest: neben Kronstadt und Hermannstadt ist das auch eine der Städte mit Anspruch auf westeuropäisches Niveau.
Unterhalb von ehemaligen sächsischen Geschäftshäusern gibt es den bekannten Arkadengang. Die evangelische Kirche ist leider noch geschlossen, so dass wir uns der schönen Fußgängerzone zuwenden. Hier werden dann auch noch einige Einkäufe getätigt. Schon jetzt steht fest: neben Kronstadt und Hermannstadt ist das auch eine der Städte mit Anspruch auf westeuropäisches Niveau.
Die Fahrt nach Câmpulung Moldovenesc verläuft aufgrund der Straßenarbeiten im Schneckentempo. Wenn man beobachtet mit welcher Technik und mit welchem Personal hier gearbeitet wird, kann man sich leicht ausmalen, dass es um die Qualität der neuen Straßen nicht unbedingt gut bestellt sein wird und dass sich die Arbeiten noch eine Weile hinziehen werden.
Von den vielen sehenswerten Klöstern schauen wir uns nach der Übernachtung in einem sehr feinen Hotel in Câmpulung Moldovenesc folgende Klöster an: Kloster Voroneţ (Mönchskloster, bekannt als „Sixtinische Kapelle des Ostens“), Kloster Humor (Nonnenkloster) und Kloster Moldoviţa (mit sehr schönen Außenanlagen).
Die drei besuchten Klöster gehören nicht zu Unrecht auch zum UNESCO-Weltkulturerbe und sind mit ihren farbenfrohen Außenmalerein einmalig in der Welt.
Der besondere Reiz dieser Fahrt ist die uns umgebende Landschaft. Das war schon auf der Fahrt von Bistritz so und setzt sich nun nahtlos auf der Fahrt Richtung Maramuresch fort. Sattes Grün der Hügel, abgelöst durch fette Weiden, immer wieder bunt bemalte Holzhäuser und gemächliche Bäche begleiten uns über weite Strecken.
Auf der Liste UNESCO-Weltkulturerbe folgen nun die zumindest ebenso wie die Klöster bekannten Holzkirchen der Maramuresch. Die erste davon ist die Kirche von Ieud im Izatal. Die nächste ist dann am folgenden Tag die Kirche von Bârsana.
Die Höhepunkte des letzten Tages in Rumänien (Freitag, 8. Juni) sind dann der „fröhliche Friedhof“ in Săpânţa und das Freilichtmuseum in Negreşti-Oaş. Beide runden unser Bild über den Norden Transsilvaniens ab.
Damit haben wir ein Versäumnis vergangener Jahre nachgeholt und sind trotz einiger Strapazen mit dem Verlauf unserer Tour mehr als zufrieden.
Es bleibt noch zu erwähnen, dass wir uns mit Familie Tontsch in der Maramuresch fast wieder getroffen hätten (sie sahen unser geparktes Auto, die SMS haben wir leider zu spät gelesen) und dass die Heimfahrt für alle Beteiligten ohne Zwischenfälle verlief.
Fazit
Eine Reise der besonderen Art ist nun zu Ende gegangen. Wir sind allein in Rumänien mehr als 2000 km gefahren und haben alt bekannte Stätten aufgesucht und auch nie zuvor besuchte Sehenswürdigkeiten für uns entdeckt.
Es war sicher ein Stück Abenteuer, Genießen des Urlaubs, aber auch (wie immer wenn man in die alte Heimat fährt) ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Für einige war es die Entdeckung eines fremden Landes, das nach dieser Reise sicher eher ein vertrautes Land sein wird, auf das die voreingenommene Negativberichterstattung nicht immer zutrifft.
Mit der Verarbeitung dieser Eindrücke sind wir sicher noch eine Weile beschäftigt.
Es ist damit zu rechnen, dass die in Rumänien verzeichneten Fortschritte weitergehen werden und somit das Reisen noch angenehmer machen werden. Dort westliche Verhältnisse zu erwarten ist jetzt sicher noch zu früh und auch nur bedingt wünschenswert.
Wenn ich die Meinung unserer „Expeditionsmitglieder“ richtig interpretiere, dann sind alle in näherer oder fernerer Zukunft für einen weiteren Besuch in Rumänien in dieser Form wieder offen. Es macht einfach Spaß sich mit „Gleichgesinnten“ an solch einer Unternehmung zu beteiligen und sich gleich an Ort und Stelle auszutauschen.
Fotos: Volkmar Kirres, 2007.
Erstellt: 21. Dezember 2009 - 17:45. Geändert: 21. Februar 2010 - 15:17.
- Anmelden oder Registrieren um Kommentare zu schreiben
- 7836 Aufrufe