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Lorenz Gross, Obernotär (1813 - 1900)

Lorenz Gross war Sohn armer Schirkanyer Landbauern. Sein Vater gleichen Namens war in Schirkanyen am 15. Januar 1775 geboren und seine Mutter, eine geborene Mart. Groß ebenda am 15. Juni 1780. Schirkanyen war damals eine der Stadt Kronstadt untertänige Ortschaft, die Bewohner waren also Frohnbauern (jobágyin) welche 3 Tage in jeder Woche der Grundherrschaft mit Gespann und zu Fuß Frohndienste verrichten mußten. Daß ein derartiger jobagy selbst bei größtem Fleiß und größter Sparsamkeit nicht zu Wohlstand gelangen konnte, ist leicht begreiflich, und um so mehr, wenn viele Kinder im Hause waren und im Großischen Hause gab es 6 Söhne und 2 Töchter.

Lorenz Gross (1813-1900). Foto: Archiv Werner Schunn.

Lorenz war das fünfte Kind seiner Eltern und war am 2. November 1813 in Schirkanyen geboren. Im entsprechenden Alter besuchte er die Dorfschule, in welcher er offenbar zu den begabtesten und fleißigsten Schülern gehörte; denn nur solche wurden, wenn sie armer Leute Kind und darum nicht im Stande waren Kostgeld zu zahlen, in die Stadt geschickt, um dort die höhere Schule zu besuchen und sich zum Amt eines Predigers oder Lehrers und Dorfnotärs vorzubereiten. Solche armen Bauernkinder fanden oft eine gute Unterstützung, wenn sie als "famuli" in das am Gymnasium bestehende Internat eintraten, wo sie für die den "Studenten" zu leistenden Dienste freies Quartier und freien Mittagstisch erhielten und von der Zahlung eines Schulgeldes befreit waren, oder wenn sie als eine Art Diener in ein Haus eintraten, wo ihnen Kost und Quartier unentgeldlich gegeben wurde, wogegen sie dann allerlei kleine Dienste im Hause: Stiefelputzen, Auskehren, Feuer machen, Wasser holen, u.s.w. zu verrichten hatten.

Höchstwahrscheinlich auf Empfehlung des dem Knaben wohlgesinnten Ortspfarrers Liehn fand der bereits 14jährige Knabe Aufnahme im Hause des damaligen Professors, spätern Heldsdorfer Pfarrers und Dechanten, Georg Schwarz als Famulus. Er erhielt freies Quartier und Licht und freien Mittagstisch. Die andern Mahlzeiten mußte er sich selbst beschaffen. Die Eltern schickten ihm dazu gelegentlich Speck, Hirse und Kukuruzmehl, und für jede Woche 2 "Zwölfer", das ist 12kr W.W. in Barem. (Ein Zwölfer - gewöhnlich "zwellner" genannt - hatte 6kr W.W. /Wiener Währung/. 12kr W.W. nicht ganz genau 10h.)

Der gut begabte und fleißige Knabe, der auch schon in seinem weitern Alter einen Vorzug vor den meist viel jüngeren Mitschüler besaß, kam leicht und möglichst rasch durch alle Klassen, so daß er in seinem 20. Lebensjahr das Gymnasium mit vorzüglichem Erfolg absolvierte.

Als nach damaligem Brauch der Ortspfarrer und der Notär von Petersberg zum Rektor des Gymnasiums kamen und ihn baten, daß dieser ihnen einen jungen tüchtigen Studenten empfehlen möchten, welchen sie in ihrer Gemeinde anstellen könnten, da empfahl er ihnen den Gross, aber mit dem Bemerken, daß dieser sich mit der Barbesoldung von 40fl W.W. nicht begnügen werde, den Gross selbst aber wies er an, eine Barbesoldung von mindestens 75fl neben den sonst üblichen Accidenten zu verlangen. Ein Beweis dafür, daß Gross sehr gut angeschrieben war ist der Umstand, daß dem jungen Mann selbst diese ungewöhnlich große Gehaltserhöhung bewilligt wurde.

Lorenz Gross wurde also im Jahr 1832 Kantor in Petersberg. In dieser Stellung verblieb er nur 8 Monate.

Der Tartlauer Pfarrer Fabritius hatte als Prüfungs-Commisär den zu Ostern 1833 in Petersberg abgehaltenen Schulprüfungen beigewohnt und dabei die hervorragenden Leistungen des jungen Lehrers Gross kennengelernt. Er belobte ihn nicht nur öffentlich, sondern versprach ihm auch dafür zu sorgen, daß er bald eine besser dotierte Stelle erhalte. Das Versprochene konnte Fabritius sehr bald einlösen.

Denn als noch in demselben Jahr 1833 die Kantorstelle in Tartlau neu zu besetzen war, wurde sie dem Gross verliehen und ihm eine Jahresbesoldung in Barem und in Naturalien und Accidenten im Schätzwert von 462fl 15kr W.W. zugesprochen, für damalige Zeit eine glänzende Besoldung. Aber auch in dieser Stelle blieb Gross nicht lange. Denn schon im Jahre 1836 wurde er zum Vice-Notär in Tartlau gewählt. Im Jahre 1849 wurde er Obernotär.

Für sein kluges und treues Verhalten in den Revolutionsstürmen um 1848/49 wurde er mit dem "Silbernen Verdienstkreuz" Sn. k.k. Majestät ausgezeichnet. Seinem Verhalten und seinen Anordnungen hat es der Markt Tartlau zu verdanken, daß er nicht, wie Honigberg und Petersberg am 5. Dec. 1848 niedergebrannt und ausgeplündert wurde.

Als im Jahre 1856 die neue Kirchenverfassung der evang. Landeskirche ins Leben trat, wurde Gross zum Kirchenkurator erwählt, welches Amt er bis zum Jahr 1878 - immer wieder gewählt - höchst verdienstvoll bekleidete, dann aber hatte er sich mit Rücksicht auf sein Alter und nachdem er auch als Notär in den wohlverdienten Ruhestand getreten (Juni 1878) sich eine Wiederwahl verbeten.

Die ihm in seinem Ruhestand gebotene Muße benutzte er zu fleißiger Lectüre und zur Durchforschung der alten Tartlauer Allodial-Rechnungen. Das verdienstvolle Ergebniß dieser Arbeit liegt in der Tartlauer Chronik (1886) vor. Gewiß für Viele interessant sind auch die andern in diesem Buche niedergelegten Aufsätze. Daß Gross der, wie er selbst anführt, schon von seinen jungen Jahren an ein Tagebuch geführt, daß er seine Zeit nicht mit müßigem Nichtstun oder gar mit Spielen und Trinken, wie es bei Pensionisten oft der Fall ist, vertrödeltte, ist gewiß ein Beweis dafür, daß er nicht ein Mann gewöhnlichen Schlages war.

Er erfreute sich darum auch eines nicht geringen Ansehens nicht nur unter seinen Kollegen und seiner Gemeinde, sondern auch im ganzen Kronstädter Distrikt.

Lorenz Gross ist am 9. Juni 1900 in Tartlau sanft verschieden. In den letzten Jahren war sein Geist stark geschwächt, so daß er oft alte Bekannte nicht mehr erkannte und sich an die bekanntesten Vorfälle nicht mehr erinnern konnte.

Gross war 2 mal verheiratet. Aus 1. Ehe mit Anna geb. Georg Markeli gingen 6 Kinder hervor: Anna verehl. Joh. Copony, Rosa verehl. Chr. Butt, Katharina gestorben als einjähriges Kind, Katharina verehl. Georg Köcher, Julius gestorben als zweijähriges Kind und Lorenz.

Die 2te Ehe mit Katharina verwitwete Georg Teutsch geb. Joh. Türk blieb kinderlos.

Eine Würdigung der Verdienste des Lorenz Gross, die er sich um die politische und die kirchliche Gemeinde A.B. von Tartlau erworben, in eingehender Weise nachzubringen behält sich vor der Verfasser dieser Skizze.


Autor: Franz Sindel, Kronstadt, 8. December 1916

Erstellt: 26. Januar 2010 - 21:50. Geändert: 21. Februar 2010 - 17:20.