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Kirchenburg Tartlau - UNESCO-Welterbestätte seit 1999

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Kochkunst aus Tartlau und Siebenbürgen

Wenn sich eine Gemeinschaft vorstellt, dann sollte auch über die kulinarischen Gewohnheiten berichtet werden. Ohne Zweifel ist die Kochkunst fester Bestandteil der Kultur eines Volkes oder einer Gemeinschaft. Sie verrät einiges über das Wesen einer Region oder Volksgruppe und ist nicht selten ein erfolgreicher "Botschafter" eines bestimmten Kulturkreises.

Die siebenbürgische Küche soll erhalten bleiben

Nur noch wenige siebenbürgisch-sächsische Kochbücher finden sich in den Regalen siebenbürgischer Haushalte. Wir sind experimentierfreudiger geworden, kochen gerne auch mal schwäbisch, italienisch, französisch oder griechisch. Und doch essen wir immer wieder gerne "wie bei Mutter und Großmutter zu Hause". Wir lieben unsere traditionelle feine Nudelsuppe ("Geschnidden Dechsupp mat Hunnekammchen"), die Kessel- und Bratwurst, welche wir von den Schlachttagen in unserer alten Heimat kennen oder den legendären Baumstriezel zu besonderen Anlässen.

Eine hervorragende Dokumentation zur Herstellung des Baumstrietzels wie auch zu den benötigten Backgeräten ist auf der Homepage der Regionalgruppe Burzenland zu finden:

Baumstrietzel: Dokumentation von Karl-Heinz Brenndörfer
Unser traditionelles Gebäck: der Baumstriezel.

Alte Rezepte, wie sie seit Generationen gekocht und in den Familien weiter überliefert wurden, wecken beim Essen stets schöne Kindheitserinnerungen. Darum wollen wir sie erhalten und auch an nachfolgende Generationen weiter geben. Und - bei uns Siebenbürgern ist es auch nicht anders wie überall auf der Welt: "Die Liebe geht durch den Magen".

Leckeres Hefegebäck: Nuss- und Mohnstrudel. Foto: Irmgard Martin.

Wesenszüge der Siebenbürgischen Küche

Die siebenbürgisch-sächsische Kochkunst ist Teil unserer Kultur. Sie spiegelt geschichtliche Entwicklung und Traditionen über Jahrhunderte und begleitete unser Völkchen im Alltag und an Festtagen ruhiger und bewegter, guter und magerer Zeiten.

Durch das Zusammenleben der Siebenbürger Sachsen mit Rumänen, Ungarn, Szeklern u. a. Bevölkerungsgruppen in Siebenbürgen, ließ auch die sächsische Küche fremde Einflüsse zu. Die knappe Beschreibung Siebenbürgischer Küche, wie man sie in freien Enzyklopädien wie Wikipedia findet, wird der Vielfalt unserer Speisen und Getränke längst nicht gerecht. Unser berühmter geräucherter Speck mit Zwiebeln steht dort meistens gleichsam als Definition unseres kulinarischen Hochgenusses. Die "Kochen" oder "Kächen" (reichhaltige, kräftige Suppe mit Fleisch), das Klausenburger Kraut, die Vogelmilch, die Hanklich und anderes Hefegebäck sind nur einige Beispiele typisch sächsischer Rezepte. Es heißt auch, dass im Vergleich zu anderen westlichen Küchen in Siebenbürgen sehr fettreich und deftig gekocht wird. Es wird aber auch auf die fremden Einflüsse hingewiesen, die sich prägend und bereichernd auf die sächsische Küche auswirkten.

Krautwickel mit Hackfleischfüllung nach rumänischer Art (rum. "Sarmale").

Die "Ciorbă de perisoare" (Rumänisch für gesäuerte Gemüsesuppe mit Hackfleischbällchen), Palukkes (Maisbrei) mit Käse, "Mici" (Rumänisch für Hackfleischröllchen) oder "Holzfleisch" vom Grill mit "Mujdei" (Rumänisch für Knoblauchdip) werden gerne erwähnt. Ebenso als vegetarische Alternative das "Ghiveci" (Gemüsegericht) oder der "Vinete"-Salat (Blaufruchtsalat). Auch die rumänische "Ţuică" (Pflaumenschnaps) erfreut sich nicht selten bei unseren Landsleuten großer Beliebtheit.

Wer schon öfter Urlaub in Österreich gemacht hat, konnte sicher eine "Verwandtschaft" mit unserer Küche feststellen. Dort kann man die Cremeschnitte, Topfenknödel, Kletitten (Palatschinken) oder den Kaiserschmarren als beliebte Süßspeisen bestellen. Auch viele andere Speisen stammen wahrscheinlich aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie in Siebenbürgen. Der ungarische Einfluss macht sich z. B. im kräftigen Gulasch bemerkbar, den Sauerkrautgerichten oder den pikant eingelegten Paprika.

Näh- und Kochkursteilnehmerinnen in Tartlau, 1929.

Während die Söhne wohlhabender Bauern im deutschsprachigen Ausland die Ackerbauschule besuchten, durften manche Töchter die feine Kunst des Kochens in Haushaltsschulen erwerben und mit neuen Ideen die sächsische Küche bereichern. Solche Kurse wurden jedoch auch lokal angeboten.

Erinnern wir uns an unsere sächsischen Traditionen und Feste, so denken wir sofort auch an die damit verbundenen Essen. An der festen Ordnung und Folge von Speisen z. B. an Verlobungen, Hochzeiten oder Taufen wurde über die Jahrhunderte hinweg nur wenig verändert. Erkennen wir hier die Beständigkeit, Ordnung und Prinzipien unseres sächsischen Wesens nicht wieder?

Schon immer gab es das Päckchen mit Kleingebäck an Weihnachten, gebacken vom fleißigen Frauenverein, die Kletitten und Krapfen am Fasching und den selbstgemachten Eierlikör zu Ostern.

Siebenbürgische Kochbücher

Tatsächlich schon historischen Wert hat das mir älteste bekannte Kochbuch aus Siebenbürgen, das "Schusterische Kochbuch", ein über 850 Seiten langes Werk in gotischer Schrift gedruckt.

Am Anfang des Kochbuchs findet man ausführliche Beschreibungen von Begriffen, Verfahrensweisen beim Kochen, viele Informationen über Gewürze, Kräuter, Obst, Gemüse und Fleisch so wie über Küchenutensilien und Geräte jener Zeit mit interessanten Zeichnungen und Abbildungen.

Es gibt Speisezettel nach Monaten und Wochentagen aufgegliedert, Menüvorschläge für große Abendessen (Soupers), Mittagessen (Diner), für Festlichkeiten wie Taufen und Damenkaffee.

Es folgen unzählige schmackhafte und reichhaltiger Koch- und Backrezepte aus einer Zeit, in der man die Zutaten meistens aus dem Vollen schöpfen konnte.

Die "Kächen" wird hier als sächsisch-volkstümliche Suppe beschrieben, "die mit Fleisch und reichlich Einlage gekocht, gestäubt oder eingebrannt wird".

Man erfährt aber auch wie Seife gekocht wurde und Wäsche gewaschen wurde. Es gibt Richtlinien, wie die Tafel gedeckt wurde, die Speisen angerichtet und serviert wurden bis hin zu gesundheitlichen Ratschlägen.

Die Komplexität dieses Kochbuchs wird sogar durch Anleitungen zur Reinigung und Instandhaltung der Wohn- und Wirtschaftsräume, der Speisekammern und Keller erweitert. All dies gibt Aufschluss über einige Aspekte des Lebens unserer Vorfahren.

Kochbuch von Martha Liess, Ausgabe 1966.

Das 1966 erschienene Kochbuch von Martha Liess rückt neben der wohlschmeckenden vor allem die gesunde Ernährung in den Vordergrund:

"Die moderne Hausfrau kann die Ergebnisse der neueren Ernährungslehre nicht unbeachtet lassen... Und es geht ihr um die rationelle Verwertung der vorhandenen Lebensmittel."

In diesem Kochbuch finden sich bereits Informationen über Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette und Mineralstoffe, über Nahrungsmittel mit Basen- und Säureüberschuss oder Tabellen von Nahrungsmitteln mit ihrem Vitamin- und Kaloriengehalt.

Kochbuch von Martha Liess, Ausgabe 2007.

Da in dieser moderneren Zeit schon viele Frauen im Berufsleben stehen, soll die Zubereitung der Speisen der kurz bemessenen Zeit der Hausfrau in der Küche ebenfalls Rechnung tragen. Natürlich finden wir die altbekannten siebenbürgischen Rezepte wieder, jedoch viele in "abgespeckter" Form und neue Ziele machen sich bemerkbar.

Die Neu-Veröffentlichung des Kochbuchs erschien im Dezember 2007 im Schiller Verlag, Hermannstadt: "Siebenbürgisches Kochbuch", Martha Liess unter ISBN 978-973-88536-1-4.

Das siebenbürgisch-sächsische Kochbuch unserer Generation von Ina Kuchar führt in diese Richtung weiter: "Unter keinen Umständen darf sich Hausarbeit zu einer ständigen zweiten Schicht auswachsen. Hygiene und Behaglichkeit setzen die Maßstäbe". Ina Kuchar spricht die Arbeitsteilung beider Ehepartner bei der Kindererziehung, beim Einkaufen, Ordnung halten, Kochen und Saubermachen an. Auch Kinder werden ihrem Alter und Geschick entsprechend in die Erledigung der Hausarbeit einbezogen. Moderne Geräte wie Entsafter, Handrührgerät, Universalküchenmaschine, Toaster, Kaffeemaschine, Kühlschrank mit Tiefkühlfächern u. a. haben Einzug in die sächsische Küche gehalten. Na, wenn das kein Fortschritt war!!

Kochbuch von Ina Kuchar.

In persönlich gefärbter Weise zeichnet das neuere Buch "Blick zurück durchs Küchenfenster" von Dagmar Dusil auch Entwicklungen der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft in den letzten Jahrzehnten nach. Dieses Buch bringt uns die vielseitige Küche Siebenbürgens auf besondere Weise näher: zu jeder Speise gehört nicht nur ein Rezept, sondern auch eine Geschichte aus dem Leben der Verfasserin. Ihre Erinnerungen fügen sich zwanglos zu einem Bild zusammen und führen von den Verhältnissen in Siebenbürgen seit den 50er Jahren zum Neuanfang in Deutschland hinüber und damit zur Frage, welche der alten, aus Siebenbürgen mitgebrachten Erfahrungen und Lebensgewohnheiten in Deutschland noch Platz haben.

Ebene der Verständigung

Dass noch sehr viel davon Platz hat, haben unsere Landsleute sicher schon bei verschiedenen Gelegenheiten erfahren und bewiesen. So werden wir immer wieder von unseren einheimischen Kollegen oder Freunden und Bekannten um unsere "Geheimrezepte" besonderer Speisen oder Gebäcks gebeten, sei es anlässlich einer Betriebsfeier oder Hochzeit, eines Kindergarten- oder Schulfestes oder eines Geburtstags. Oft ist dies der Einstieg zu einem interessierten und guten Gespräch und erschließt uns eine Ebene der Verständigung, auf der das Zusammenleben von Siebenbürgern und Nicht-Siebenbürgern gestärkt werden kann.

Geplant ist hier eine Sammlung von siebenbürgischen Speisen und Gebäck zu veröffentlichen. Mittelfristig werden wir hier für die Spezialisten auf dem Gebiet auch eine einfache Möglichkeit schaffen, Rezepte zu veröffentlichen, um diese einem möglichst breiten Publikum zur Verfügung zu stellen.

In diesem Sinne begeben wir uns auf die Suche nach unseren Lieblingsrezepten aus Siebenbürgen und wünschen uns allen jetzt schon "Guten Appetit"!

Fotos: Fam. Batschi und Kirres.

Autor: Heidrun Batschi

Erstellt: 17. Februar 2010 - 18:15. Geändert: 23. Dezember 2016 - 16:26.